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Die Härtefallkommission in NRW

Was tun, wenn nach abgelehntem Asylantrag, Ausschöpfung der Rechtsmittel und Aufforderung zur Ausreise die Vollziehung der Ausreisepflicht menschlich oder moralisch unerträglich ist? Gibt es noch Möglichkeiten?
In individuellen Fällen kann die Härtefallkommission ein Weg sein.

 

Historie der Härtefallkommission in NRW

Die Härtefallkommission besteht in NRW (auf freiwilliger Basis) seit 1996 und ist seit Ende 2004 mit der Änderung des Aufenthaltsgesetzes § 23a, Abs. 2 gemäß Artikel 1 zu einer festen (institutionalisierten) Einrichtung geworden.

Mit der Härtfallkommissionsverordnung (HFKVO) vom 14.12.2004 wurde die Härtefallkommission organisatorisch beim Innenministerium des Landes NRW angesiedelt - ist aber nicht weisungsgebunden. Sie fußt auf der Erkenntnis, dass es schier unmöglich ist, im Ausländerrecht für jeden möglichen Sachverhalt eine generell-abstrakte Regelung so perfekt zu formulieren, das die Folgen für jeden Einzelfall eine zufrieden stellende Lösung bieten.

Die Härtefallkommission dient somit dem Zweck, unerträgliche Härten in Einzelfällen abzumildern.


Update August 2017

Mit dem Regierungswechsel ist die Härtefallkommission aus dem MIK zum Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge + Integration (MKFFI) umgezogen und findet sich hier:
www.mkffi.nrw

Zusammensetzung der Härtefallkommission in NRW

Da die Zusammensetzung der Härtefallkommission nicht vorgeschrieben ist, haben sich die unterschiedlichsten Modelle in den einzelnen Ländern herausgebildet - in NRW besteht sie derzeit aus 9 Mitgliedern, die idR für 2 Jahre berufen werden.

  • Leiterin der Geschäftsstelle, die zugleich Vorsitzende der Kommission ist
  • Vertreter der evangelischen Kirche
  • Vertreter der katholischen Kirche
  • Vertreter der AG der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege NRW
  • Vertreter des Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen e.V.
  • Vertreter von Pro Asyl
  • ein Arzt
  • Vertreter des für Integrationsfragen zuständigen Ministeriums
  • Leiter einer Ausländerbehörde

Aktuelle Zusammensetzung (PDF)

Voraussetzung für eine Mitgliedschaft sind Kenntnisse auf dem Gebiet des Ausländer- und Aylrechts oder Erfahrungen in Migrations- und Flüchtlingsberatung oder -betreuung, die Kommission muss paritätisch besetzt sein.

Wann und wie wird die Härtefallkommission aktiv?

Die Härtefallkommission wird nur im Wege der Selbstbefassung tätig

Es besteht kein Anspruch eines Betroffenen oder sonstiger Person auf Behandlung der betreffenden Abschiebungsproblematik, die Härtefallkommission wird nur im Wege der Selbstbefassung tätig. Allein ein Kommissionsmitglied ist berechtigt, einen Härtefall zur Beratung ins Plenum zu geben.

Voraussetzungen zum Stellen eines Härtefallantrags in NRW sind:

  • vollziehbare Ausreisepflicht muss vorliegen
  • es muss eine Härte vorliegen
  • ein Aufenthaltstitel nach einer anderen Norm darf nicht möglich sein
  • es muss eine Ausländerbehörde in NRW zuständig sein
  • die betreffende Person muss sich in NRW aufhalten

Verfahren:

1) Antragsstellung an die Härtefallkommssion
Der Antrag wird über die Geschäftsstelle gestellt und kann von den Personen selbst, von einer Beratungsstelle, durch Anwälte oder auch von Behörden, z.B. der Ausländerbehörde eingereicht werden.

Der FRNRW hat im Februar 2014 eine Arbeitshilfe mit Informationen zu wichtigen Inhalten eines Antrags an die Härtefallkommission veröffentlicht:
Download (PDF)

2) Entscheidung der Kommission über Annahme des Antrags
Anschliessend berät der Vorprüfungsausschuss und fordert - nach positiver Entscheidung über Annahme des Antrags - einen Bericht bei der zuständigen Ausländerbehörde zur Beratung an.

Die Härtefallkommission berät dann völlig weisungsunabhängig in nicht-öffentlichen Sitzungen und entscheidet mit einfacher Mehrheit. Eine Wahlmöglichkeit zwischen den Kommissionen der einzelnen Bundesländer besteht nicht. Verfahrensdauer ist von Seiten der Kommission etwa 8 Wochen - verzögert sich der Bericht der Ausländerbehörde, dementsprechend länger.

Seit 2005 wurden etwa 3.500 Anträge für insgesamt ca. 10.000 Personen bearbeitet (Stand Mitte 2016).

3) Ergebnisse nach Prüfung + Beratung des Härtefallantrags durch die Kommission
Positives Prüfergebnis:
Ein positives Ergebnis der Prüfung durch die Härtefallkommission bedeutet noch nicht, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird - die endgültige Entscheidung liegt in NRW bei der Ausländerbehörde.

Kommt die Kommission nach intensiver Beratung zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen des § 23a AufenthG vorliegen, richtet sie (in NRW) ein Ersuchen direkt an die zuständige Ausländerbehörde (Härtefallersuchen), die dann in eigener Zuständigkeit über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entscheidet.

Folgt sie diesem Ersuchen, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden – im Einzelfall mit - je nach den Möglichkeiten - anteiliger oder vollständiger Lebensunterhaltssicherung, eventuell auch mit Unterstützung durch Verwandte.

Fällt diese Entscheidung negativ aus, erfolgt eine Information unter Anführung von Entscheidungsgründen ans Innenministerium sowie die Geschäftsstelle der Härtefallkommission, das Verfahren ist beendet.

Negatives Ergebnis:
Befindet die Kommission dass beim Betroffenen kein Härtefall vorliegt, ist das Verfahren beendet, der Betroffene muss ausreisen.
 

Weitere Informationen:

mkffi.nrw - Die Härtefallkommission + rechtliche Grundlagen auf der Seite des Familienministeriums NRW

Konfrontiert mit dem Ablehnungsbescheid. Was nun?
- Rechtliche Grundlagen und Strategien zum Umgang mit Ablehnungsbescheiden und Abschiebungsandrohungen (Flüchtlingsrat NRW, 05/2017)
frnrw.de

Zahlen NRW

Anzahl Verfahren seit dem 1.1.2005 (Stand Mitte 2016):
3.500 berbeitete Anträge für insgesamt etwa 10.000 Personen

Gestellte Ersuchen an die Ausländerbehörde nach positivem Entscheid der Kommission:
ca. 25% Prozent der beratenen Fälle

"Diesem Ersuchen sind die Ausländerbehörden in der Regel gefolgt." (Quelle: mik.nrw.de, Anm. d. Red.: die Zahlen stammen von Volker Maria Hügel aus der HFK und sind aktueller als auf der Seite des MIK)

Alternativen zur Härtefallkommission

Petitionsausschuss des Landtags NRW

Eine Alternative zur Verbesserung des Aufenthaltsstatus jenseits der Möglichkeiten, die das Aufenthaltsgesetz bietet, ist die Anrufung des Petitionsausschusses des Landtags (Art. 17 GG). Dieser ist bei seiner Entscheidungsfindung jedoch an die bestehende Rechtslage gebunden ist und kann keine abweichende Entscheidung treffen.
Zum Petitionsausschuss des Landtags NRW

Kirchenasyl

"»Kirchenasyl« ist die zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus, denen bei Abschiebung in ihr Herkunftsland Folter und Tod drohen oder für die mit einer Abschiebung nicht hinnehmbare soziale, inhumane Härten verbunden sind. Während des „Kirchenasyls“ werden alle in Betracht zu ziehenden rechtlichen, sozialen und humanitären Gesichtspunkte geprüft. In vielen Fällen gelingt es nachzuweisen, dass Entscheidungen von Behörden überprüfungsbedürftig sind und ein neues Asylverfahren erfolgversprechend ist. In allen Fällen werden die Behörden und Gerichte über den Aufenthalt unterrichtet." (Quelle: kirchenasyl.de)

Weitere Infos zum Kirchenasyl:
Handreichung Kirchenasyl - herausgegeben vom Institut für Theologie und Politik (07/2016)
Handreichung zu aktuellen Fragen des Kirchenasyls - herausgegeben von der Deutschen Bischofskonferenz im Juni 2015
Handreichung Kirchenasyl  im Raum der evangelischen Landeskirchen (12/2014)
Vereinbarung von Kirchen und BAMF - Kompromiss bei Kirchenasyl (02/2015)
Erlass des MIK NRW zum Kirchenasyl bei Dublin-Fällen (06/2017)

Seit dem 1.8.2018 gelten verschärfte Regeln für das Kirchenaslyl:

asyl.net


In einer Entscheidung von Mai 2018 hat der VGH Bayern festgestellt, dass Personen im Kirchenasyl nicht als "flüchtig" i.S.d. Dublin-Verordnung eingestuft werden können, wenn ihr Aufenthaltsort dem BAMF bekannt ist.
asyl.net