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Flüchtlingssituation in der Stadt Herzogenrath;
hier: Sachstandsbericht der Verwaltung


Letzte Beratung
Donnerstag, 03. September 2015 (öffentlich)
Federführend
Fachbereich 1 Bürgerdienste
Originaldokument
http://ratsinfo.herzogenrath.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=4625

Zu 1, 2, und 5:

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

Zu 4.:

Die Verwaltung wird mit der Erarbeitung und dem Abschluss einer Vereinbarung mit dem Caritasverband für die Regionen Aachen-Stadt und Aachen-Land e.V. zur Sicherstellung der Beratung und Betreuung der Flüchtlinge beauftragt.

Sachverhalt:

1. Flüchtlingssituation

Konnte die Verwaltung in den vergangenen Sitzungen darüber berichten, dass „…nach wie vor aus unterschiedlichen weltweiten Krisengebieten ein Flüchtlingsstrom nach Deutschland zu verzeichnen ist …mit den damit einhergehenden Schwierigkeiten und Herausforderungen für die Stadt Herzogenrath …“ treffen diese sachlich nüchternen Ausführungen aus heutiger Sicht nicht mehr die aktuelle Sachlage. Vielmehr muss unumwunden eingeräumt werden, dass sich die Situation in Deutschland und damit einhergehend die Lage in Herzogenrath dramatisch zugespitzt hat. Die zuständigen Gebietskörperschaften und somit auch die Stadt Herzogenrath stehen infrastrukturell und organisatorisch vor kaum noch zu bewältigenden Herausforderungen.

Die aktuell und regelmäßig veröffentlichten Zahlen und Berichte unterstreichen dies nachdrücklich: Zwischenzeitlich geht die Landesregierung davon aus, dass alleine NRW in diesem Jahr mehr als 100.000 Flüchtlinge aufnehmen wird (in 2014 waren es lediglich 40.000 Menschen). Im Ergebnis führen diese Größenordnungen dazu, dass das Land Erstaufnahmeeinrichtungen in Form von „Zelthallen“ an fünf Standorten einrichten wird. Die im Wege der Amtshilfe von der Stadt Aachen (300 Personen), der Stadt Stolberg (150 Personen) und zwischenzeitlich auch in Herzogenrath und Alsdorf kurzfristig aufgenommenen Personen unterstreichen die aktuelle Problemlage.

Die Prognosen im Hinblick auf die Zahl der Personen, die im laufenden Jahr in Deutschland einen Asylantrag stellen werden, werden von staatlichen und öffentlichen Stellen laufend nach oben angepasst.

Das Bundesinnenministerium hat vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass im laufenden Jahr bis zu 800.000 Personen in Deutschland Asyl suchen werden. Die kommunalen Spitzenverbände prognostizieren 1.000.000 Menschen. Die sich dabei für Herzogenrath ergebenden Konsequenzen können der nachstehenden Tabelle entnommen werden:

Flüchtlinge Bund

Anteil Land

Zuweisungen Stadt

300.000

63.660

159

400.000

84.880

212

450.000

95.490

239

500.000

106.100

265

750.000

159.150

398

800.000

169.760

425

1.000.000

212.200

531

1.200.000

254.640

637

Die Stadt Herzogenrath betreut aktuell (Stand 31.07.2015) 347 Flüchtlinge. Diese Zahl für sich betrachtet verdeutlicht allerdings nicht umfassend die tatsächliche Situation. Bis zum 20.08.2015 wurden bereits 194 Flüchtlinge zugewiesen. Berücksichtigt man die Personen, die aus der städtischen Betreuung ausgeschieden sind, ergeben sich insgesamt 500 Personen, die durch die Verwaltung alleine im 1. Halbjahr betreut wurden. Im Vergleich zu der betreuten Personenzahl im Jahr 2010 bedeutet dies eine mehr als Vervierfachung. Für sämtliche Personen musste durch die Verwaltung eine menschenwürdige Versorgung sichergestellt werden.

Im Ergebnis sind 153 Personen aus dem städtischen Leistungsbezug ausgeschieden. Der überwiegende Teil wurde in die Zuständigkeit des Jobcenters abgegeben. 10 % sind nach abgelehntem Asylverfahren teilweise freiwillig in ihr Heimatland zurückgekehrt.

Im Hinblick auf die Einschätzung der künftigen Situation kann die Verwaltung nicht mehr an der im Frühjahr erstellten Prognose festhalten. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass bis zum Ende des Jahres noch mehr als 300 Zuweisungen erfolgen werden.

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Versorgung der Flüchtlinge in der Notaufnahmeeinrichtung besteht von Seiten des Landes die Zusage, zunächst von weiteren Zuweisungen abzusehen, solange bis die Zahl der nach dem Quotenschlüssel unterzubringenden Flüchtlinge durch die in der Notunterkunft lebenden Personen kompensiert wird. Vereinfacht gesagt werden die Personen in der Flüchtlingsunterkunft auf das Aufnahmesoll angerechnet.

Ausgehend von 1.000.000 Flüchtlinge und einem Aufnahmesoll für Herzogenrath von 531 Personen muss also davon ausgegangen werden, dass bis zum Ende des Jahres noch 187 Personen aufgenommen werden müssen, solange die Notaufnahmeeinrichtung besteht. Nach Auflösung der Notaufnahmeeinrichtung müssten sogar bis Ende des Jahres 2015 noch weitere Flüchtlinge per Zuweisung aufgenommen werden = insgesamt 337 Personen.

Die vorstehenden Fakten verdeutlichen, dass die damit zusammenhängenden Aufgaben in organisatorischer wie auch infrastruktureller Hinsicht Rat und Verwaltung einen Kraftakt abverlangen wird.

2. Unterbringungssituation

Entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung im Sinne von § 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz ist die Stadt Herzogenrath verpflichtet, die zugewiesenen Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. Dabei ist die Stadt Herzogenrath bisher im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen in der glücklichen Situation, bei der Unterbringung von zugewiesenen Flüchtlingen auf Turnhallen, mobile Wohneinheiten, Zelte sowie andere Behelfsunterkünften verzichten zu können.

Tatsächlich sind aber die bestehenden Kapazitäten quasi erschöpft. Dabei ist auch zu becksichtigen, dass auch die Personen, die aus dem städtischen Leistungsbezug ausscheiden, nicht zwangsläufig die städtischen Unterkünfte verlassen (können). Hierfür wäre angemessener Wohnraum im Sinne der einschlägigen Rechtsvorschriften erforderlich, der nicht ohne Weiteres zur Verfügung steht.

Seit der letzten Sitzung hat die Verwaltung ihre Anstrengungen zur Akquise von Wohnraum weiter forciert und auf unterschiedlichen Kanälen versucht, Wohnraum zu erhalten.

U. a. wurden sämtliche leer stehende städtische Unterkünfte unter Beteiligung der Brandschutzdienststelle sowie der Fachbereiche 3 und 4 im Hinblick auf die Eignung als Flüchtlingsunterkunft begutachtet.

In diesem Zusammenhang muss festgestellt werden, dass die Liegenschaften Südstraße 49 und Bicherouxstraße 28 - 30 nur noch als „Bauruine“ betrachtet werden können und mit vertretbarem Aufwand nicht mehr hergerichtet werden können.

Zwei weitere Liegenschaften sind als Unterkunft geeignet. Allerdings können diese nicht kurzfristig hergerichtet werden. In Aussicht gestellt wurde von Seiten des technischen Dezernats ein Fertigstellungstermin Ende des Jahres.

Vergleichbares gilt für die Bereitstellung von mobilen Wohneinheiten, die im laufenden Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen werden.

Die Verwaltung konnte kurzfristig 2 Wohnungen in Merkstein anmieten, die unter Berücksichtigung der für Flüchtlingsunterkünfte üblichen Vorgaben mit jeweils 6 8 Personen belegt werden konnten. Im Interesse eines friedlichen nachbarschaftlichen Verhältnisses wird allerdings zunächst auf eine Maximalbelegung verzichtet. Gleiches gilt für eine Bundesimmobilie, die max. mit 8 Personen belegt werden soll. Darüber hinaus wird die Anmietung einer DHH mit einer Kapazität von 7 8 Personen angestrebt.

Kurzfristig besteht somit eine Aufnahmekapazität von rd. 28 Personen.

Die Verwaltung strebt vor diesem Hintergrund die Anmietung eines Beherbergungsbetriebes an, der eine Aufnahmekapazität von weiteren 28 Personen bietet. Kurzfristig stehen somit Aufnahmekapazitäten für 56 Personen zur Verfügung. Zu den Einzelheiten wird im nichtöffentlichen Teil der Sitzung berichtet.

3. Willkommenskultur

Ungeachtet der schwierigen Umstände ist die Willkommenskultur in der Stadt Herzogenrath nach wie vor äert positiv wahrzunehmen. Viele Einzelpersonen und zunehmend ebenfalls Institutionen wenden sich an die Verwaltung mit Unterstützungsangeboten. Zahlreiche Personen bieten die Bereitstellung von Bekleidung, Möbeln und sonstigen Hausratgegenständen an. Entsprechende Angebote werden an die in der Stadt etablierten Einrichtungen verwiesen, da die Verwaltung außerstande ist, eine eigene Kleiderkammer o. ä. einzurichten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Flüchtlinge in der Regel bereits in den Aufnahmeeinrichtungen insbesondere mit ausreichend Bekleidung versorgt werden.

Die Welle der Hilfsbereitschaft kann allerdings nicht ohne Betreuung bzw. Anleitung den Flüchtlingen zugeleitet werden. Hier bedarf es einer entsprechenden qualifizierten Betreuung.

Darüber hinaus werden vermehrt Angebote an die Verwaltung gerichtet, einzelne Flüchtlinge in den Haushalts- bzw. Familienverband aufzunehmen, beispielsweise „…wenn die Kinder aus dem Haus sind…“. Diese Offerten sind prüfenswert, bedürfen allerdings nach Auffassung der Verwaltung ebenfalls einer qualifizierten Begleitung. Dabei geht es im besonderen Maße darum, geeignete Partner zu finden und auszuwählen.

4. Soziale Betreuung

Die soziale Beratung und Betreuung der Flüchtlinge erfolgt seit Jahren durch die Flüchtlingsberatung der evangelischen Kirchengemeinde Herzogenrath. Die derzeitige vertragliche Grundlage sieht ab 9/2014 vor dem Hintergrund der steigenden Flüchtlingszahlen eine Erhung der chentlichen Arbeitszeit von 23 auf 30 Std. vor (vgl. Drucksachen-Nr. V/2014/061-E01). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Mehraufwand nicht durch städtische Mittel mitfinanziert wird.

Die stetig steigende Zahl der Flüchtlinge sowie der damit einhergehende erhöhte Betreuungs- und Beratungsbedarf kann durch die evangelische Kirchengemeinde nicht mehr kompensiert werden. Es besteht deshalb Einvernehmen zwischen den Vertragspartnern, dass zur Sicherstellung einer angemessenen Beratung und Betreuung der Flüchtlinge eine anderweitige Unterstützung geschaffen werden muss.

Die Verwaltung hat deshalb das Gespräch mit „alternativen“ Akteuren gesucht. Dabei konnte festgestellt werden, dass aufgrund der allgemein hohen Flüchtlingszahlen im Bereich der Betreuung und Beratung nicht uneingeschränkt Kapazitäten verfügbar sind.

Nach jetzigem Stand sieht sich alleine der Caritasverband für die Regionen Aachen-Stadt und Aachen-Land e.V. (Caritas) in der Lage, frühestens ab November oder Dezember 2015 im Umfang einer halben Stelle unterstützend in der Stadt Herzogenrath tätig zu werden. Die Caritas ist darüber hinaus in der Lage, Fördermittel einzubringen, so dass für die Stadt Herzogenrath lediglich ein Kostenanteil von rd. 2/3 zu finanzieren wäre.

Die Caritas ist bereits städteregional in der Flüchtlingsbetreuung tätig und verfügt somit über einschlägige Erfahrungen und Qualifikationen. Das Projekt könnte zunächst für einen Zeitraum von 24 Monaten abgeschlossen werden.

Die Inhalte der Tätigkeit in der Stadt Herzogenrath könnten modulartig zusammengesetzt und ausgewählt werden:

  • Direkte Betreuung
  • Betreuung der Ehrenamtler
  • Jugendmigrationsbereich
  • usw.

Hierdurch könnte eine bedarfsgerechte Betätigung gewährleistet werden.

Selbstverständlich dahingehend besteht umfassend Konsens soll das Angebot der Caritas nicht in Konkurrenz mit dem bestehenden hervorragenden Angebot der evang. Flüchtlingsberatung stehen. Vielmehr soll das bestehende Angebot im notwendigen Rahmen im Interesse der Betroffenen ergänzt werden - und dies im Interesse der Sache durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zweier Träger.

5. Kosten

Die nachhaltige Zahl der Zuweisungen führt in der Konsequenz zu erhöhten Ausgaben.

Auf der Grundlage der bisherigen Verlautbarungen geht die Verwaltung von Mehreinnahmen aus Bundesmitteln in Höhe von 250.000 Euro aus. Angesichts der erwarteten Ausgaben verbleibt es dennoch bei einem Kostendeckungsgrad von rd. 1/3.

Weitere von Landesseite in Aussicht gestellte Entlastungen greifen leider hier nicht. Beispielsweise führt die im Hinblick auf die Erstattung aergewöhnlicher Krankheitskosten gem. § 4c FlüAG vorgesehene Grenze von 70.000 Euro dazu, dass aufgrund des Abrechnungszeitraumes (Kalenderjahr) selbst ein schwerbehinderter Flüchtling mit kostenintensiver Hepatitis-C-Behandlung die Kostengrenze nicht überschreitet und somit keine Erstattung von Seiten des Landes ermöglicht wird.

Positiv ist festzustellen, dass die Heimkosten eines pflegebedürftigen Flüchtlings zwischenzeitlich durch den LVR übernommen werden und der Stadt in diesem Jahr eine Kostenerstattung von rd. 80.000 Euro zufließen wird.

Inwieweit in haushaltsrechtlicher Hinsicht Beschlüsse der politischen Gremien erforderlich werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass die bisher im Haushalt veranschlagten Mittel nicht ausreichen werden.

Rechtliche Grundlagen:

Flüchtlingsaufnahmegesetz; Asylbewerberleistungsgesetz


Anlagen können jeweils im Originaldokument eingesehen werden.

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Beratungsfolge

Donnerstag, 03. September 2015Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales

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