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Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 15.11.2018: Kompensationsmaßnahmen als Ausgleich für den Eingriff in den Naturhaushalt


Letzte Beratung
Donnerstag, 14. Februar 2019 (öffentlich)
Federführend
Fachdienst 4.3
Originaldokument
http://ratsinfo.wuerselen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=4811

Der Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss beschließt:

  1. dem Antrag, Kompensationsmaßnahmen in erster Linie in unmittelbarer Nähe zum Eingriffsort durchzuführen, nicht zu entsprechen.
  2. auch zukünftig Verfahren nach § 13a BauGB durchführen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
  3. zukünftig keine Bebauungsplanverfahren für Flächen im Außenbereich im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB einzuleiten oder umzustellen.

gez. Nelles, 28.01.2019 gez. von Hoegen, 24.01.2019

rgermeisterBeigeordneter

gez. Schmitz-Gehrmann, 16.01.2019 . gez. Schmitz-Gehrmann, 16.01.2019

FachdienstleiterSachbearbeiter

 

 

Darstellung des Vorgangs:

Mit dem beigefügten Schreiben vom 15.11.2018 beantragt die Fraktion B90/Die Grünen Folgendes zu beschließen:

  1. Um den Eingriff in die Natur und die damit verbundenen Konsequenzen möglichst gering zu halten, sollen Kompensationsmaßnahmen in erster Linie in unmittelbarer Nähe zum Eingriffsort erfolgen. Erst wenn dies nicht möglich oder nach vorheriger Prüfung ökologisch nicht sinnvoll ist, soll der ökologische Ausgleich an anderer Stelle, zumindest jedoch prioritär im räumlichen und funktionalen Zusammenhang erfolgen.
  2. Die Stadt Würselen wird zukünftig auf die Anwendung der Verfahren nach § 13a und 13b BauGB verzichten und somit bei Eingriffen in den Naturhaushalt ökologische Ausgleichsmaßnahmen durchführen.

Die Begründung des Antrags ist dem beigefügten Schreiben zu entnehmen. Dazu liegen die ebenfalls beigefügten Stellungnahmen des NABU und des BUND vor.

Stellungnahme:

  1. Bei der Aufstellung der Bauleitpläne (Flächennutzungsplan und Bebauungspläne) sind die Vorschriften des § 1a Abs. 3 BauGB zu beachten:

Die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe a bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz) sind in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen. Der Ausgleich erfolgt durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich. Soweit dies mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, können die Darstellungen und Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen. Ein Ausgleich ist nicht erforderlich, soweit die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren.

In der Stadt Würselen erfolgt der ökologische Ausgleich in der Regel durch Begrünungs- und Bepflanzungs-Festsetzungen innerhalb der Bebauungsplangebiete und darüber hinaus in den im Flächennutzungsplan dargestellten Flächen für Maßnahmen zum Ausgleich. Am Duffesheider Weg sind ca. 17 ha große Ackerflächen von der Stadtentwicklungsgesellschaft zu diesem Zweck erworben worden. Das Stadtplanungsamt erarbeitete für diese Flächen ein Ausgleichsflächenkonzept und stimmte es mit der Naturschutzbehörde ab. Die Fläche wurde als „Ökokonto“ anerkannt mit einer durchschnittlichen Aufwertung des Ackers um 12,8 Ökopunkte pro m². Dadurch kann der Eingriff in Bebauungsplänen, der nicht im Plangebiet selber ausgeglichen werden kann, durch Zuordnung einer Teilfläche aus dem Ökokonto ausgeglichen werden. Die Kosten für den Kauf der Flächen durch die SEW und für die Bepflanzung durch die Stadt werden vertraglich auf den Erschließungsträger des jeweiligen Baugebietes übertragen. 2011 war der komplette erste Abschnitt der Ökokontoflächen am Duffesheider Weg (insgesamt ca. 5,7 ha) den verschiedenen Plangebieten zugeordnet, so dass anschließend der zweite Abschnitt (ca. 4,2 ha) bepflanzt wurde, der 2018 bereits komplett Plangebieten zugeordnet war, so dass 2019 mit der Bepflanzung des bisher noch nicht in Anspruch genommenen dritten Abschnitts (ca. 7,3 ha) auf der anderen Seite des Duffesheider Weges begonnen werden muss.

Dies entspricht den o. a. Regelungen des § 1a Abs. 3 BauGB. Jedenfalls muss der Ausgleich nicht in unmittelbarer Nähe zum Eingriffsort erfolgen. Dies ist nicht nur mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung vereinbar, sondern entspricht auch den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, zusammenhängende Ausgleichsflächen zu schaffen. In den meisten Bebauungsplänen stehen über den zu bebauenden Planbereich hinaus keine Flächen für Ausgleichsmaßnahmen zur Verfügung. Dennoch wird ein Teil des Ausgleichs durch Festsetzungen von Grünflächen und Bepflanzungen in den Plangebieten erbracht. In einzelnen Fällen kann es gelingen, den kompletten Ausgleich vor Ort zu erbringen, z. B. wenn ein Baugebiet und angrenzende landwirtschaftliche Flächen im selben Eigentum stehen. Wenn dies nicht glich ist, wird auf die Ökokonto-Flächen zurückgegriffen. Eine ausführliche Stellungnahme der Verwaltung zur Begründung und zu den Vorteilen der Ökokontofläche ist als Anlage beigefügt.

Es wird deswegen empfohlen, dem Vorschlag der Fraktion B90/Die Grünen, Kompensationsmaßnahmen in erster Linie in unmittelbarer Nähe zum Eingriffsort zu realisieren, nicht zu folgen.

  1. Gemäß § 13a Abs. 1 BauGB kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden.

Im beschleunigten Verfahren

  • gelten die Vorschriften des vereinfachten Verfahrens nach § 13 Abs. 2 und 3 Satz 1 entsprechend, d. h. der betroffenen Öffentlichkeit und den berührten Behörden ist Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Auslegung nach § 3 Abs. 2 durchzuführen.
  • wird von der Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4, von dem Umweltbericht nach

§ 2a, von der Angabe nach § 3 Absatz 2 Satz 2, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind sowie von der zusammenfassenden Erklärung nach § 6a Absatz 1 und § 10a Absatz 1 abgesehen; § 4c ist nicht anzuwendenberwachung der Umweltauswirkungen).

  • gelten bei Bebauungsplänen mit einer zulässigen Grundfläche von insgesamt weniger als 20 000 qm Eingriffe, die auf Grund der Aufstellung des Bebauungsplans zu erwarten sind, als vor der planerischen Entscheidung erfolgt oder zulässig.
  • Wenn der Bebauungsplan von Darstellungen des Flächennutzungsplans abweicht, kann er aufgestellt werden, bevor der Flächennutzungsplan geändert oder ergänzt ist; der Flächennutzungsplan ist im Wege der Berichtigung anzupassen.

§ 13a wurde bei der Novelle des BauGB im Jahr 2007 eingeführt. Der Gesetzgeber verfolgte hiermit das Anliegen einer nachhaltigen Stadtentwicklung, insbesondere durch eine Verringerung der Flächeninanspruchnahme im Außenbereich. Die Siedlungsentwicklung sollte auf die vorhandenen Ortsteile, auf die Wiederherstellung und Sicherung funktionsfähiger, urbaner Gemeindezentren und Stadtquartiere sowie die zügige Durchführung notwendiger Anpassungsmaßnahmen konzentriert werden. Bebauungsplanverfahren, die der Innenentwicklung von Städten und Gemeinden dienen, sollen gegenüber Bebauungsplanverfahren, die auf eine Neuinanspruchnahme von Flächen setzen, beschleunigt durchgeführt werden können.

Diese gesetzliche Regelung hat sich in Würselen bewährt. Seit 2007 wurden 18 Verfahren nach § 13a durchgeführt, davon waren 7 Änderungen von bestehenden Bebauungsplänen. 9 Pläne wurden im normalen Verfahren aufgestellt, davon 2 Änderungen (s. Anlage). In weiteren 8 Änderungs-Verfahren wurden die Vorschriften des § 13 angewandt, da die Grundzüge der Planung nicht berührt wurden. Bei allen Verfahren nach § 13 und § 13a handelte es sich um Innenentwicklungen im Sinne der Gesetzes-Grundlage. Die Verfahren konnten erheblich beschleunigt und wesentlich vereinfacht werden, insbesondere da auf die umfangreiche und ausführliche Umweltprüfung und auf den Umweltbericht verzichtet werden konnte. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Umweltbelange nicht geprüft wurden, denn die die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, sind nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB in jedem Fall zu berücksichtigen und in der Begründung zum Bebauungsplan darzulegen. Ein Umweltbericht ist jedoch wesentlich formaler und aufwändiger und bei kleinen Plangebieten der Innenentwicklung oder Planänderungen nicht sinnvoll.

Dass bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a ökologische Eingriffe nicht ausgeglichen werden müssen, hat bei den bisher durchgeführten 18 Verfahren nicht zu einer Schchung der städtebaulichen und ökologischen Qualität geführt. Bei allen 18 Verfahren wurden keine größeren ökologischen Eingriffe verursacht, da es sich meistens um Änderungen bestehender Pläne oder um Bebauung auf bereits im Wesentlichen versiegelten Flächen handelte. Grundsätzlich sollte deswegen auch weiterhin von den Regelungen des § 13a Gebrauch gemacht werden, da damit erhebliche Erleichterungen, Beschleunigungen und auch Kostenreduzierungen verbunden sind.

Anders verhält es sich mit den Regelungen des § 13b BauGB, die erst 2017 eingeführt wurden. Demnach gilt § 13a auch r Bebauungspläne im Außenbereich mit einer Grundfläche von weniger als 10 000 qm, wenn durch sie die Zulässigkeit von Wohnnutzungen begründet wird und sie sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Verfahren nach §13b können nur bis zum 31.12.2019 förmlich eingeleitet werden und der Satzungsbeschluss ist bis zum 31.12.2021 zu fassen.

In Würselen wurden bisher nur 2 Verfahren nach § 13b durchgeführt: die Bebauungspläne 217 (Friedhofstraße) und 220 (Tittelsstraße), die im Mai 2018 rechtskräftig wurden. In dem einen Fall handelt es sich um die bereits zum größeren Teil bebauten Flächen eines landwirtschaftlichen Betriebes, so dass der ökologische Eingriff relativ gering ist. Zudem sind auf einer angrenzenden Wiese unabhängig vom ökologischen Ausgleich Maßnahmen zum Artenschutz festgesetzt worden. In dem anderen Fall handelt es sich im Wesentlichen um Wiesen sowie um das Gelände einer ehemaligen rtnerei am Rande des Stadtgartens und des Naturschutzgebietes Meisbach. Hier wäre tatsächlich ohne die Regelungen des § 13b ein erheblicher ökologischer Ausgleich erforderlich gewesen, der zumindest teilweise auf den im Planbereich liegenden privaten Grünflächen hätte erfolgen können.

Nach Auffassung der Verwaltung sollte kein neues Planverfahren mehr nach § 13b eingeleitet werden, da neue Bebauungspläne im Außenbereich in der Regel mit größeren Eingriffen verbunden sind, so dass eine ausführliche Umweltprüfung, ein Umweltbericht und auch ein ökologischer Ausgleich erforderlich sind. Dies sollte auch dann gelten, wenn die Gültigkeit des § 13b über den 31.12.2019 verlängert werden sollte, was zurzeit nicht zu erwarten ist.

Zurzeit sind 12 Bebauungspläne in der Aufstellung, davon 2 im beschleunigten Verfahren nach § 13a und 2 im vereinfachten Verfahren nach § 13 (s. Anlage). Alle anderen Pläne sind im normalen Verfahren nach § 2 Abs. 1, davon könnten 2 (BP 224 Sportplatz Lindenplatz und BP 226 Weidener Markt) auf das beschleunigte Verfahren nach § 13a umgestellt werden. Ein weiterer Plan (BP 223 Bardenberger Gässchen) könnte evtl. auf das Verfahren nach § 13b umgestellt werden. Gerade dieser Plan wäre mit erheblichen ökologischen Eingriffen verbunden, schon alleine deswegen, weil im Planbereich bereits ökologischer Ausgleich für die benachbarte Wohnbebauung realisiert worden ist. Eine Umstellung wäre deswegen auch rechtlich bedenklich, da kein Ersatz für diesen Ausgleich gefordert werden könnte.

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

Wenn der ökologische Ausgleich für Bebauungspläne auf den Ökokontoflächen der Stadt festgesetzt wird, entstehen Einnahmen für die Stadt bzw. die SEW. Bei Verfahren nach § 13a und § 13b entfallen diese Einnahmen.

Auswirkungen auf das Projekt Stadt der Kinder:

Der Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft trägt zu einer Erhaltung der natürlichen Grundlagen und der Biodiversität, insbesondere für die heranwachsende Generation, bei.

 

 

Anlagen:

  1. Antrag der Fraktion B90/Die Grünen
  2. Stellungnahme NABU
  3. Stellungnahme BUND
  4. Stellungnahme zur Ökokonto-Fläche
  5. Bebauungsplan-Verfahren 2007-2018

Anlagen können jeweils im Originaldokument eingesehen werden.

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