Teilen:

Ratsantrag Nr 641/17 der Fraktion Die Linke vom 27.08.2020, Meisenkästen gegen
Eichenprozessionsspinner


Letzte Beratung
Dienstag, 02. März 2021 (öffentlich)
Federführend
Fachbereich Klima und Umwelt
Originaldokument
http://ratsinfo.aachen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=22858

Erläuterungen:

Mit der Zielsetzung Meisenkästen gegen Eichenprozessionsspinner“ hat die Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Aachen am 27.08.2020 beantragt, folgenden Beschluss zu fassen:

Die Verwaltung wird beauftragt, Nistkästen für Meisen in der Nähe von Bäumen anzubringen, bei denen Probleme mit Eichenprozessionsspinnern bekannt sind.“

Der Antrag wird damit begründet, dass in Geiselberg (Rheinland-Pfalz) Medienberichten zufolge die Population an Eichenprozessionsspinnern durch Meisenkästen deutlich gesenkt werden konnte. Auch wenn die positiven Auswirkungen noch nicht erforscht sein sollten, wäre eine Vergrößerung der Mei-senpopulation ein positiver Beitrag zur städtischen Fauna.

Stellungnahme der Verwaltung:

Vor einer naturschutzfachlichen Bewertung des vorliegenden Ratsantrages durch die Verwaltung er-folgt zunächst eine Erläuterung zur Biologie des Eichenprozessionsspinners, der durch diese Art ver-ursachten gesundheitlichen Problematik, seiner natürlichen Feinde sowie eine kurze Zusammenfas-sung der fachlichen Sichtweise des Landesumweltministeriums.

Verhalten und Biologie des Eichenprozessionsspinners

Der Eichenprozessionsspinner ist ein harmloser und eher unscheinbarer, graubrauner Nachtfalter, dessen Larven bzw. Raupen für den Menschen jedoch eine Gefahr darstellen können.

Die Raupen schlüpfen Anfang Mai aus den im Vorjahr im oberen Kronenbereich von Eichen gelegten Eiern und durchlaufen bis zur Verpuppung 5-6 Entwicklungsstadien. Ab dem 3. Larvenstadium bilden die Raupen gegen Ende Mai/Anfang Juni die auf Haut und Atmungssystem reizend wirkenden Brenn-haare aus, die beim Menschen gesundheitliche Beschwerden verursachen können. Mitte Juni sam-meln sich die älteren Raupen tagsüber in Gespinstnestern. Von dort aus begeben sie sich nachts in die belaubten Kronenbereiche, um frisch austreibende Blätter zu fressen. Hohe Konzentrationen der toxischen Brennhaare finden sich auch in den Nestern. Die Verpuppung beginnt ab Ende Juni/Anfang Juli.

Erstmals beschrieben wurden Massenvermehrungen des Eichenprozessionsspinners schon vor mehr als 200 Jahren. Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist im Zuge des Klimawandels und den damit einher gehenden wärmeren Frühjahresmonaten und steigenden Durchschnittstempe-raturen eine zunehmende Ausbreitung dieser Wärme liebenden Schmetterlingsart in Deutschland und Europa zu beobachten.

Als Forstschädling spielt der Eichenprozessionsspinner bislang eine eher untergeordnete Rolle. Fraßschäden, die ab Mitte Mai deutlich sichtbar auftreten, können befallene Eichen durch eine zweite Phase des intensiven Blattaustriebs gegen Mitte Juni wieder ausgleichen. In Kombination mit anderen Schadereignissen wie Mehltau oder länger anhaltende Trockenheit als weitere Folge des Klimawan-dels kann es jedoch zum Absterben stark befallener Bäume kommen.

Die Raupen des Eichenprozessionsspinners sind eine wichtige Nahrungsquelle von räuberisch leben-den Insekten, wie Raupenfliegen oder Schlupfwespen, deren Larven sich im Inneren der Raupe ent-wickeln. Von Vögeln - wie beispielsweise Meisen - werden in erster Linie die jungen Larvenstadien ge-fressen, in denen die Brennhaare noch nicht ausgebildet sind. Da sich die Raupen tagsüber in ihren schützenden Nestern aufhalten, sind sie für Vögel jedoch nur schwer zu erreichen.

Verursacher gesundheitlicher Probleme

Ursache für gesundheitliche Beschwerden wie juckende Hautausschläge (Raupendermatitis), Binde-hautentzündungen, Atemwegsreizungen, Schwindelgefühl und Fieber (in seltenen Fällen kommt es sogar zu allergischen Schockreaktionen) ist das Nesselgift Thaumetoporin auf den Härchen der Lar-ven.

Meisen als natürliche Fressfeinde des Eichenprozessionsspinners

Kohl- und Blaumeisen zählen in NRW zu den häufigsten und beliebtesten Brutvogelarten. Viele Gar-tenbesitzer*innen bieten ihnen mit selbst gebauten oder Nistkästen aus dem Fachhandel geeignete Brutmöglichkeiten. So ist es nicht verwunderlich, dass die Kohlmeise ihre höchsten Bestandsdichten in unseren menschlichen Siedlungsräumen erreicht. Beide Arten sind in NRW nahezu flächendeckend verbreitet.

Die Kohlmeise ist mit einem Bestand von 720.000 bis 810.000 Revieren die dritthäufigste sowie die Blaumeise mit 600.000 bis 680.000 Revieren die zehnthäufigste Brutvogelart in NRW. Seit 2002 hat der Bestand der Kohlmeise landesweit um rund 20 % und der Blaumeise sogar um mehr als 40 % zugenommen (LANUV, Biodiversitätsmonitoring in NRW, 2018).

Biologische Schädlingsbekämpfung aus Sicht des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW (MULNV)

Nach Einschätzung des MULNV könnten natürliche Gegenspieler - wie die bereits genannten Rau-penfliegen, Schlupfwespen, mehrere Vogelarten und räuberische Käferarten - eventuell mittel- bis langfristig in der Lage sein, eine Massenvermehrung einzudämmen, wenn sich ein ausreichendes Gleichgewicht eingestellt hat. Da sich die natürlichen Feinde des Eichenprozessionsspinners jedoch erst im nötigen Umfang vermehren können, nachdem dieser massenhaft in Erscheinung getreten ist, kann ein vollständiger Schutz der Bevölkerung durch eine Förderung seiner natürlichen Gegenspieler nicht erreicht werden.

Als begleitende Maßnahme kann dies durchaus sinnvoll sein, da sich die Brutzeit einiger Singvogelar-ten mit dem Schlüpfen der Larven aus den Eiern des Eichenprozessionsspinners überdeckt. Hierbei können Meisen und andere Singvogelarten mit der gezielten Anbringung von Nistkästen gefördert werden. Grundsätzlich muss jedoch ein allgemein ausreichendes Nahrungsangebot zur Verfügung stehen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass die Jungvögel nach Ausbildung der Brennhaare nicht mehr ausreichend mit Futter versorgt werden können.

Sinnvolle Maßnahmen zur generellen Aufwertung von Lebensräumen für Singvögel und andere na-türliche Gegenspieler sieht das MULNV bspw. in der Anlage von Blühstreifen oder Wildblumenwiesen anstelle pflegeintensiver Rasenflächen.

Quelle: MULNV, Überwachung, Bekämpfung und Beseitigung des Eichenprozessionsspinners - Ein Praxisleitfaden für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen (Stand: April 2020).

Biologische Schädlingsbekämpfung durch "Meisenkästen gegen Eichenprozessionsspinner" aus Sicht der Verwaltung

Nach Erkenntnissen der Verwaltung haben Erfahrungen in den Niederlanden gezeigt, dass die Rau-penplage mit Hilfe von Meisen zum Teil verringert werden kann. Es ist jedoch nicht davon auszuge-hen, dass die Notwendigkeit der manuellen Bekämpfung - insbesondere in besonders sensiblen Be-reichen wie Kinderspielplätzen, Kitas, Schulen, Krankenhäusern oder Pflegeheimen - durch die För-derung von Meisen und anderen Fressfeinden signifikant reduziert werden kann oder sogar entbehrlich würde.

Wie bereits beschrieben, zählen Blau- und Kohlmeisen darüber hinaus zu unseren häufigsten und damit auch nicht gefährdeten Vogelarten. Die Anbringung und notwendige jährliche Pflege von Nistkästen in einer Größenordnung, die sich nachhaltig auf die Bestände des Eichenprozessionsspinners auswirken könnte, wäre mit einem nicht unerheblichen Einsatz personeller und finanzieller Ressourcen verbun-den, die für den Erhalt und die Förderung lokaler Populationen gefährdeter Vogelarten (bspw. Stein-kauz oder Kiebitz) nicht mehr zur Verfügung stünden.

Vom MULNV vorgeschlagene Lebensraum aufwertende Maßnahmen wie Blühstreifen und Wildblu-menwiesen werden im Rahmen des auf sechs Jahre angelegten und aus dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderten Kooperationsprojektes "FLIP" (Förderung bis März 2026) bereits um-gesetzt und sollen weiter ausgebaut werden. Ferner betreut der Landschaftspflegetrupp des Fachbe-reichs Klima und Umwelt bereits 24 selbst gebaute größere Insektenhotels und 74 Nistkästen für Meisen und andere heimische Singvogelarten und wird diese in den kommenden Jahren kontinuierlich erweitern.

Durch eine gezielte Presse- und Öffentlichkeitarbeit und Direktansprache wird die Verwaltung sowohl ehrenamtliches (z. B. Naturschutzverbände, Kleingartenvereine) als auch bürgerschaftliches (Garten-besitzer*innen) Engagement aktivieren, um das Angebot von Nistkästen und Insektenhotels zur För-derung der Biodiversität und biologischen Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners zu erhöhen.


 

 

Beschlussvorschlag:

Der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.

Der Ratsantrag Nr. 641/17 gilt hiermit als behandelt.


 

 

Finanzielle Auswirkungen

JA

NEIN

x

Investive Auswirkungen

Ansatz

20xx

Fortgeschriebener Ansatz 20xx

Ansatz 20xx ff.

Fortgeschriebener Ansatz 20xx ff.

Gesamt­bedarf (alt)

Gesamt­bedarf (neu)

Einzahlungen

0

0

0

0

0

0

Auszahlungen

0

0

0

0

0

0

Ergebnis

0

0

0

0

0

0

+ Verbesserung /

- Verschlechterung

0

0

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

konsumtive Auswirkungen

Ansatz

20xx

Fortgeschriebener Ansatz 20xx

Ansatz 20xx ff.

Fortgeschriebener Ansatz 20xx ff.

Folgekosten (alt)

Folgekosten (neu)

Ertrag

0

0

0

0

0

0

Personal-/

Sachaufwand

0

0

0

0

0

0

Abschreibungen

0

0

0

0

0

0

Ergebnis

0

0

0

0

0

0

+ Verbesserung /

- Verschlechterung

0

0

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

Klimarelevanz

Bedeutung der Maßnahme für den Klimaschutz/Bedeutung der Maßnahme für die

Klimafolgenanpassung (in den freien Feldern ankreuzen)

Zur Relevanz der Maßnahme für den Klimaschutz

Die Maßnahme hat folgende Relevanz:

keine positiv negativ nicht eindeutig

x

Der Effekt auf die CO2-Emissionen ist:

gering mittel groß nicht ermittelbar

Zur Relevanz der Maßnahme für die

Klimafolgenanpassung

Die Maßnahme hat folgende Relevanz:

keine positiv negativ nicht eindeutig

x

Größenordnung der Effekte

Wenn quantitative Auswirkungen ermittelbar sind, sind die Felder entsprechend anzukreuzen.

Die CO2-Einsparung durch die Maßnahme ist (bei positiven Maßnahmen):

gering

unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels)

mittel

80 t bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels)

groß

mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels)

Die Erhöhung der CO2-Emissionen durch die Maßnahme ist (bei negativen Maßnahmen):

gering

unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels)

mittel

80 bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels)

groß

mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels)

Eine Kompensation der zusätzlich entstehenden CO2-Emissionen erfolgt:

Ovollständig

Oüberwiegend (50% - 99%)

Oteilweise (1% - 49 %)

Onicht

O nicht bekannt

 

 

Anlage/n:

Ratsantrag der Fraktion Die Linke vom 27.08.2020


Anlagen können jeweils im Originaldokument eingesehen werden.

Für eventuell vorhandene Übertragungsfehler haftet unserAC.de nicht, maßgeblich sind alleine die verlinkten Seiten und Dokumente der Kommunen. Sofern die Links auf die Einzeldokumente nicht mehr funktionieren, gelten die Links auf die Ratsinfosysteme bzw. deren Archive.

Hier könntest Du Dir eine Karte anzeigen lassen.

Durch die Nutzung der Mapbox Tiles API können Informationen über die Benutzung dieser Website einschließlich Deiner IP-Adresse an Mapbox in den USA übertragen werden:
www.mapbox.com/privacy/

Karteninhalte anzeigen

Beratungsfolge

Dienstag, 02. März 2021öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz

Art
Kenntnisnahme
Ausschuß
Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
Details
Tagesordnung