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Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und
Jugendstärkungsgesetz - KJSG) vom [03.06.2021](si010.asp?YY=2021&MM=06&DD=03
"Sitzungskalender 06/2021 anzeigen" )


Letzte Beratung
Donnerstag, 25. November 2021 (öffentlich)
Federführend
A 51 - Amt für Kinder, Jugend und Familie
Originaldokument
http://gremieninfo.staedteregion-aachen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=11355

Sach- und Rechtslage:

Am 10.06.2021 ist im zweiten Anlauf nach einem Gesetzgebungsverfahren, dem eine intensive Beteiligung von Fachleuten, Verbänden und freien Trägern unter Begleitung aus der Wissenschaft vorausging, mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) eine der grundlegendsten und weitreichendsten Reformen des SGB VIII seit der Ablösung des Jugendwohlfahrtsgesetzes (JWG) durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) im Jahre 1991 in Kraft getreten.

Schwerpunkte sind ein verbesserter Kinder- und Jugendschutz, die Stärkung von stationär untergebrachten Kindern und Jugendlichen (in Heimen und Pflegefamilien), eine Stärkung der Prävention, das Prinzip der Hilfen aus einer Hand für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen sowie eine deutlich verbesserte Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien an den sie betreffenden Prozessen und Maßnahmen. Die einzelnen Vorschriften, in denen die Änderungen festgelegt sind, finden sich in verschiedenen Abschnitten des neuen Gesetzes; die Themenbereiche überschneiden sich insofern zum Teil. Einzelne Paragraphen werden im Folgenden daher nur punktuell und beispielhaft genannt.

Zu den Schwerpunkten im Einzelnen:

Verbesserter Kinder- und Jugendschutz

Das Wohl von Kindern und Jugendlichen innerhalb und außerhalb von Einrichtungen und Pflegefamilien soll besser geschützt werden. Hierzu werden die Voraussetzungen für die Erteilung von Betriebserlaubnissen von Einrichtungen sowie Prüf- und Informationspflichten konkretisiert und verschärft; in Pflegefamilien werden die Sicherstellung von Schutzkonzepten und Beschwerdemöglichkeiten für die jungen Menschen vorgeschrieben. Auch die ohnehin nur im Ausnahmefall vorzusehende - Unterbringung eines Kindes/Jugendlichen im Ausland wird strengeren Regelungen und Kontrollverpflichtungen unterworfen.

Die Zusammenarbeit mit Berufsgeheimnisträger_innen (z. B. Vertreter_innen des Gesundheitswesens oder der Schule) bei der Überprüfung von Meldungen über Kindeswohlgefährdungen ist dahingehend geändert, dass eine Beteiligung an der Gefährdungseinschätzung und auch eine Rückmeldung des Jugendamtes an meldende Berufsgeheimnisträger erfolgt. Zudem ist nun die Befugnis zur Information des Jugendamtes über einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorangestellt, erst anschließend müssen die Voraussetzungen geschildert werden. Auch die Strafverfolgungsbehörden sind nun verpflichtet, das Jugendamt bei Vorliegen gewichtiger Anhaltspunkte für eine Gefährdung unverzüglich zu informieren.

Stärkung von Kindern und Jugendlichen in stationärer Unterbringung (Heime oder Pflegefamilien)

Hier werden Kinder- und Elternrechte verbessert z. B. durch die Pflicht zur „wahrnehmbaren“ Beratung und Aufklärung von Personensorgeberechtigten und Kindern im Rahmen des Hilfeplanprozesses. Das neue Gesetz sieht zudem eine Verpflichtung zur Berücksichtigung der Geschwisterbeziehungen untergebrachter Kinder vor sowie auch die Einbeziehung von nicht sorgeberechtigten Elternteilen (vgl. § 36 SGB VIII). In beiden Fällen stehen die berechtigten Interessen des untergebrachten Kindes an der Aufrechterhaltung familiärer Beziehungen im Vordergrund.

r junge volljährige Hilfeempfänger_innen ist der Anspruch auf Hilfeleistungen in
§ 41 SGB VIII verbindlicher formuliert als bisher. Zudem wird eine Übergangsplanung vorgesehen, die das Jugendamt zur Planung des Wechsels in das Hilfesystem eines anderen Sozialleistungsträgers verpflichtet, soweit gegen diesen Ansprüche des jungen Volljährigen gegeben sein könnten.

Eine deutliche Verbesserung finanzieller Natur ergibt sich im Kostenbeitragsrecht: Junge Menschen in Unterbringung, die eigenes Einkommen erzielen, müssen nur noch maximal 25 % des aktuellen Einkommens als Beitrag zu den Kosten ihrer Unterbringung abführen (bisher: 75 %; vgl. § 94 Abs. 6 SGB VIII).

Stärkung der Prävention

Mit diesem Schwerpunkt werden hauptsächlich Regelungen getroffen, die die konkreten Leistungen in den Familien betreffen. Die Kombination mehrerer Hilfen und das „Poolen“ (bei der Schulbegleitung) werden ausdrücklich benannt, ebenso die Befähigung von Familien in den Bereichen Konfliktbewältigung, Bildung, Gesundheit, Medienkompetenz etc. sowie grundlegend die Stärkung der „higkeiten zur aktiven Teilhabe und Partizipation“ (vgl. § 16 SGB VIII).

Hilfen aus einer Hand für junge Menschen mit und ohne Behinderungen

Hierbei handelt es sich um die gravierendsten Neuregelungen des KJSG mit den größten Auswirkungen auf die Jugendhilfe. Die Regelungen in diesem Themenkomplex treten in drei Stufen in Kraft. Seit dem 10.06.2021 soll sich der inklusive Leitgedanke in allen Bereichen der Jugendhilfe niederschlagen. Dies gilt z. B. sowohl für die Kindertagesbetreuung als auch für die Jugendarbeit sowie für alle weiteren Angebote, die das Jugendamt im Rahmen seiner Jugendhilfeplanung entwickelt und vorhält.

Eine weitere Regelung bestimmt zudem, dass das Jugendamt seinen Blick weiten und von Beginn eines Beratungsprozesses an auch Beratung bei der Klärung eventuell zuständiger weiterer Leistungsträger erbringen muss. Dies dient der frühzeitigen Klärung von Ansprüchen und soll helfen, Schnittstellen zwischen den Leistungsträgern zu bereinigen. Hierzu zählt auch die fallbezogene Zusammenarbeit der Leistungstger miteinander.

In der zweiten Stufe, die zum 01.01.2024 in Kraft tritt, wird das Jugendamt verpflichtet, Verfahrenslotsen zur Verfügung zu stellen, die bei der Beantragung von Leistungen der Eingliederungshilfe vermitteln, unterstützten und begleiten (vgl.
§ 10b SGB VIII). Die Rolle des Verfahrenslotsen ist neu und bereitet auf die dritte Stufe der Reform vor, die 2028 in Kraft treten soll: Danach sollen alle Kinder und Jugendlichen, ob ohne Behinderung oder mit geistiger, körperlicher oder seelischer Behinderung ihre Leistungen einheitlich im Rahmen des Jugendhilferechts bekommen („Große Lösung SGB VIII“). Die bisher gegebene sachliche Zuständigkeit der Sozialhilfeträger (örtliches Sozialamt und Landessozialamt) für die jungen Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung wird demnach aufgehoben. Voraussetzung ist noch die Verkündung eines Bundesgesetzes bis zum 01.01.2027, das auf einer Gesetzesfolgenabschätzung und auf den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Begleitung beruhen wird.

Bessere Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien

Die in § 1 SGB VIII genannten Ziele wurden ergänzt um das Selbstbestimmungsrecht junger Menschen und damit auch um die Stärkung einer Selbstverantwortung und Gleichberechtigung in der Gesellschaft. Hieraus ergibt sich auch das Recht, sich selbst in Interessenvertretungen zu organisieren und Beschwerdemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Mit § 9a SGB VIII wird die Einrichtung einer Ombudsstelle verpflichtend eingeführt (vgl. hierzu auch Sitzungsvorlagen-Nummer: 2021/0604), die allen von Leistungen der Jugendhilfe betroffenen Personen eine neutrale und unabhängige Beschwerdemöglichkeit eröffnet.

Zur Verbesserung der Beteiligung gehört auch der notlagenunabhängige Beratungsanspruch von Kindern und Jugendlichen ohne Wissen der Eltern und eine umfassende Aufklärung junger Menschen über ihre Rechte bei der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII.

Die oben geschilderten umfassenden Änderungen ziehen sich durch das gesamte SGB VIII und berühren weitere Vorschriften, die Familien betreffen (z. B. das KKG, das SGB X, das Familienrecht im BGB u. a.). Sie werden die Haltung und das Selbstverständnis, die Standards und die Verfahrens- und Arbeitsweisen der Jugendämter grundlegend verändern. Das A 51 der StädteRegion ist in diversen Bereichen bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes aufgrund eigener fachlicher Erkenntnisse auf der Höhe der neuen Regelungen gewesen; andere Regelungen müssen nun in die tägliche Arbeit implementiert werden.

Der „inklusive Gedanke“ wird in den Arbeitsbereichen nicht erst seit seiner ausdrücklichen Benennung im Gesetz bei allen Vorhaben mitgedacht; die Schaffung einer Ombudsstelle wurde bereits vor drei Jahren gemeinsam mit allen Jugendämtern in der StädteRegion geplant und wäre auch ohne gesetzliche Verankerung im Jahr 2022 in die Tat umgesetzt worden; eine über die gesetzliche Regelung hinausgehende Besserstellung von stationär untergebrachten jungen Menschen bezüglich des Kostenbeitrags aus eigenem Einkommen ist ebenfalls seit Jahren gelebte Praxis in allen Jugendamtsbereichen der StädteRegion usw. Die Leitungen aller Geschäftsbereiche des Amtes sind zurzeit in einem Prozess der Identifizierung des weiteren, konkret auf die Arbeitsebene bezogenen Handlungs- und Umsetzungsbedarfs, mit einer Sctzung der dafür erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen. Gleichzeitig wird zusammen mit den anderen Jugendämtern in der StädteRegion ausgelotet, in welchen Bereichen sich durch verstärkte Kooperation Synergien erzielen lassen. Über die Ergebnisse wird die Verwaltung im ersten Halbjahr 2022 berichten bzw. entsprechende Vorschläge zur Beschlussfassung vorlegen.

Die Verwaltung bittet um Kenntnisnahme.

 

 

Im Auftrag:

gez.: Terodde

 

 


Anlagen können jeweils im Originaldokument eingesehen werden.

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Beratungsfolge

Donnerstag, 25. November 2021Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses

Art
Kenntnisnahme
Ausschuß
Kinder- und Jugendhilfeausschuss
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