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Luftreinhalteplan für das Stadtgebiet Aachen;
1. Fortschreibung 2015 ? Entwurf

Ratsantrag RA 045/17 ? Ratsantrag der GRÜNEN-Fraktion vom 19.01.2015 ?ÖPNV-
Infrastruktur ausbauen als notwendige Maßnahme zur Luftreinhaltung?

Ratsantrag RA 047/17 - Gemeinsamer Ratsantrag der CDU- und SPD-Fraktionen vom
21.01.2015: ?Erstellung eines integrierten Konzeptes für einen dem Standort
Aachen angemessenen Zuschnitt und begleitende Maßnahmen der Umweltzone in
Aachen?


Letzte Beratung
Mittwoch, 22. April 2015 (öffentlich)
Federführend
Fachbereich Umwelt
Originaldokument
http://ratsinfo.aachen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=13477

Erläuterungen:

Luftreinhalteplan für das Stadtgebiet Aachen; 1. Fortschreibung 2015 – Entwurf

  1. Einleitung / Historie

Über den Sachstand zum Luftreinhalteplan Aachen (kurz: LRP) und die Fortschreibung 2015 wurde zuletzt in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt- und Klimaschutz am 06.05.2014 sowie im Mobilitätsausschuss am 22.05.2014 berichtet. In der Sitzung des Ausschusses für Umwelt- und Klimaschutz am 03.02.2015 wurde unter Mitteilungen der Verwaltung eine Kurzinformation zum bisherigen Aufstellungsverfahren und dem weiteren Vorgehen bei der Fortschreibung verteilt. Im Detail wird ergänzend auf diese Ausführungen verwiesen. Zusammenfassend lässt sich die Historie wie folgt darstellen:

Zum 01.01.2009 trat aufgrund von Überschreitungen der gesetzlichen Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10), Basisjahr 2006/2007, der unter Federführung der Bezirksregierung Köln aufgestellte, integrierte Luftreinhalte- und Aktionsplan für die Stadt Aachen in Kraft. Unter Mitwirkung zahlreicher lokaler und (über-)regionaler Akteure (sog. Projektgruppe) wurde in einem breiten, gesellschaftlichen Konsens ein ca. 40 Maßnahmen umfassendes Paket geschnürt, um die Luftqualität in Aachen zu verbessern.

Ziel war (und ist) dabei, das Mobilitätsverhalten und den Modal Split dauerhaft zu verändern, hin zu einer nachhaltigen, stadtverträglichen und umweltfreundlichen Mobilität. Durch eine Vielzahl ineinandergreifender Projekte sollte der motorisierte Individualverkehr reduziert und der Umweltverbund (ÖPNV, Bahn, Radverkehr, CarSharing, zu Fuß gehen etc.) gestärkt werden. Viele Maßnahmen haben integrativen Charakter und unterstützen neben der Verbesserung der Luftqualität auch den Lärm- und Klimaschutz. Der sog. Aachener Weg sieht vor, ohne restriktive Fahrverbote (Umweltzone) und stattdessen mit auf dauerhafte Veränderung ausgerichteten Maßnahmen die Luftqualität positiv zu beeinflussen und so schnell wie damit möglich die EU-Grenzwerte einzuhalten. Gleichzeitig soll die Attraktivität Aachens als Wirtschaftsstandort, Stadt der Wissenschaft, historische Europastadt und touristischer Anziehungspunkt im Dreiländereck Deutschland-Belgien-Niederlande erhalten bleiben.

Der Maßnahmenkatalog war dabei nie abschließend, sondern wurde (und wird) kontinuierlich fortgeschrieben, so z.B. auch in 2010 mit der bundesweit viel beachteten Aachener Festbrennstoffverordnung als besonders wirksame Maßnahme zur Reduzierung der Feinstaubbelastungen.

  1. Aktueller Handlungsbedarf und Zeitplan

Auch wenn die Luftschadstoffbelastungen seit 2009 reduziert werden konnten, wird der ab 2010 maßgebende Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2, 40 µg/m³ im Jahresmittel) an einigen HOT-SPOTS in Aachen nach wie vor deutlich überschritten (siehe Punkt 4 der Vorlage). Vor diesem Hintergrund sah sich die Bezirksregierung Köln als federführende Behörde veranlasst, nach 5 Jahren Laufzeit den Aachener Luftreinhalteplan fortzuschreiben.

Ab 2013/2014 haben die städt. Dienststellen gemeinsam mit der Bezirksregierung, dem LANUV und den Partnern der Projektgruppe weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Aachener Luftqualität geprüft, ein neues Programm erarbeitet und in verschiedenen Projektgruppensitzungen diskutiert und abgewogen (siehe Punkt 5. der Vorlage).

Um den Aachener Weg fortzusetzen, wurde seitens der Stadt in Abstimmung mit der ASEAG – alternativ zur Umweltzone – eine beschleunigte Modernisierung der Busflotte vorgeschlagen (siehe Erweiterungsoption im Maßnahmenblatt MF4 im LRP-Berichtsentwurf). Die Ankündigung der Bezirksregierung in der Presse am 21. Januar 2015, die Umweltzone nun doch als zwingende Maßnahme im neuen LRP festzuschreiben, kam für die Fachverwaltung insofern überraschend.

Der so ausgestattete Entwurf des LRP 2015 liegt seit dem 09. März 2015 öffentlich aus, die Offenlage endet am 09. April 2015; danach besteht für die Stadt, für andere Akteure / Partner aber auch für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Aachen bis zum 23. April 2015 die Möglichkeit Eingaben bzw. Stellungnahmen zum LRP-Entwurf (schriftlich) bei der Bezirksregierung Köln einzureichen. Diese wird die Eingaben prüfen und danach den endgültigen LRP erlassen.

Die Fachverwaltung beabsichtigt, auf Basis der politischen Beratungsergebnisse von dem Eingaberecht Gebrauch zu machen.

  1. Kurzbilanz des LRP 2009 (Erfolge / Hemmnisse)

Der Aachener Weg hat sich in vielen Bereichen insbesondere in den ersten Jahren als erfolgreich erwiesen. Besonders wichtig war der breite, partnerschaftliche Konsens durchaus unterschiedlicher Interessensvertreter, einhergehend mit der Erkenntnis, dass jeder (s)einen Beitrag liefern kann und muss, um eine dauerhafte Veränderung des Mobilitätsverhaltens zu erwirken. Die verschiedenen Handlungsträger haben sich daher ausnahmslos bereit erklärt, aktiv an der Lösung des Luftreinhalteproblems mitzuwirken.

Gerade bei der Förderung des Radverkehrs und der Radinfrastruktur konnten durch die Luftreinhalteplanung wichtige Impulse gesetzt und Fördermittel zur vorzeitigen Realisierung von Maßnahmen generiert werden. Dass die Umsetzung vor Ort teilweise nicht ganz so schnell verlief, wie erhofft, ist neben besonderen örtlichen Rahmenbedingungen z.T. auch der allgemein engen Personaldecke, formalen Vergabe- und Zuwendungsvorschriften sowie zeitweisen Haushaltsrestriktionen geschuldet.

Das Thema „Jobticket“ hat den ÖPNV und hier besonders die Zielgruppe der (Berufs-) Pendler in den Fokus gerückt. Mit ca. 60.000 Kfz-Einpendlern pro Tag stellt dieser Bereich den wichtigsten Ansatzpunkt dar. Die Zahl der Jobtickets konnte seit Einführung des LRP 2009 in etwa verdreifacht werden. Selbstverständlich sind auch bei diesem Modell noch Verbesserungsmöglichkeiten gegeben und zu prüfen.

Aufbauend auf dem Ziel der stärkeren ÖPNV-Nutzung wurden von ASEAG und AVV zahlreiche Maßnahmen zur Erweiterung und Optimierung der Angebote ergriffen (z.B. zusätzliche Schnellbuslinien und –fahrten; Auf- und Ausbau eines dynamischen Fahrgastinformationssystems, spezielle Tarif- und Ticketangebote, Ausbau Euregiobahn, Praxistests umweltfreundlicher Antriebstechniken, Handy-App, Kundenbefragungen u.v.m.).

Die Aachener Festbrennstoffverordnung, die auf den Vorgaben der 1. BImSchV aufbaut, diese für Aachen aber frühzeitiger und restriktiver umsetzt, hat bundesweit Beachtung gefunden und wird von Fachleuten als vorbildlich gelobt. Bis dato wurden ca. 1.250 Altöfen mit hohem Schadstoffpotential gegen moderne, emissionsarme Öfen ausgetauscht. Auch hier gelten neben klaren Grenzwertvorgaben auch die „weichen“ Faktoren als Erfolg. Die Kommunikation und Kooperation mit Schornsteinfeger- und Handwerksinnung hat sich deutlich verbessert. Die Projektpartner wurden für die Thematik und die gemeinsamen Zielsetzungen des LRP stärker sensibilisiert und setzen sich im Rahmen ihrer Handlungsspielräume engagiert für die nachhaltige Verbesserung der Luftqualität in Aachen ein.

Dem Thema Elektromobilität wurde im LRP auch verstärkt Raum gegeben. Mit einer Vielzahl von Projekten und Initiativen setzt Aachen weiterhin Zeichen, um als Modellregion für diese umweltfreundliche, zukunftsweisende Technologie wahrgenommen zu werden. Die in Aachen ansässigen (An-) Institute der RWTH und FH, Vereine und Unternehmen, die sich intensiv und in vielfältiger Weise mit der Elektromobilität beschäftigen, bilden eine solides Fundament für Aachens Vorreiterrolle auch in diesem Bereich (siehe auch www.emobil-aachen.de).

Mit Blick auf die im Rahmen der Luftreinhalteplanung angestrebte Veränderung des Mobilitätsverhaltens wurde von Seiten des städt. Verkehrsmanagements der neue VEP-Prozess als wichtiger Motor auch für diesen Themenbereich identifiziert und forciert vorangetrieben.

Kritisch bleibt festzustellen, dass der LRP-Prozess in den letzten 2-3 Jahren an Dynamik verloren hatte und einzelne Projekte nicht in der angestrebten Schnelligkeit verfolgt werden konnten. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass das Projekt Campusbahn und die Erstellung des neuen Verkehrsentwicklungsplans (VEP) nicht nur bei der Verwaltung enorme Ressourcen gebunden und damit die Umsetzung anderer LRP-Maßnahmen verlangsamt haben. Auch auf Seiten der ASEAG hatte die Planung der Campusbahn zu gewissen Rückwirkungen auf die Aktivitäten im Bereich der Busflotte geführt.

  1. Entwicklung der Luftqualität in Aachen (NO2 und PM10)

Die aktuellen Auswertungen der Immissionsmessungen 2014 zeigen für Aachen an den Messpunkten Wilhelmstraße, Adalbertsteinweg (Verkehrsstationen) und Burtscheid (Hintergrundstation) eine Fortsetzung des bisherigen Trends. Die Schadstoffbelastungen für Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) sind seit Inkrafttreten des LRP 2009 zwar nur langsam, aber kontinuierlich gesunken. Trotz Schwankungen oder Stagnation in einzelnen Jahren ist insgesamt ein erkennbarer Trend nach unten zu verzeichnen.

FEINSTAUB (PM10)

Die mittlere Feinstaubbelastung (PM10) an den Messstellen Wilhelmstraße und Burtscheid ist in der Summe kontinuierlich gesunken und bewegt sich mittlerweile im „grünen“ Bereich; für Burtscheid wurde mit 16 µg/m³ ein neuer Tiefststand der Jahresmittelbelastung im regionalen Hintergrund erreicht. Dies darf als echter Erfolg bezeichnet werden, denn das bedeutet, dass die Maßnahmen im gesamten Stadtgebiet greifen. Auch die zulässigen Kurzzeitbelastungen, repräsentiert durch die Anzahl an Überschreitungstagen des EU-Tagesmittelgrenzwertes von 50 µg/m³ (Grenzwert: max. 35 Überschreitungstage/Jahr), wurden in 2014 mit 21 Tagen an der Wilhelmstraße sicher eingehalten.

Mit den für 2014 ermittelten Feinstaubbelastungen ist auch belegt, dass die in 2013 aufgetretene hohe Zahl an Überschreitungstagen an der Wilhelmstraße zweifelsfrei auf eine benachbarte Großbaustelle zurückzuführen waren und mehr als 35 Überschreitungstage zukünftig nur unter Ausnahmebedingungen (meteorologische Besonderheiten, Großbaustellen im Umfeld der Messstationen o.ä.) auftreten dürften.

Tabelle 4. A:

Entwicklung der PM10-Belastungssituation an den Messstationen Wilhelmstraße u. Burtscheid

Jahr

Aachen-Wilhelmstraße

(Verkehrsstation)

Aachen-Burtscheid

(reg. Hintergrund)

Jahresmittel

µg/m³

Überschreitungs-tage

Jahresmittel µg/m³

Überschreitungs-

tage

2007

32

48

20

7

2008

29

28

17

2

2009

33

44

19

6

2010

32

32

20

13

2011

28

34

19

10

2012

27

32

17

8

2013

32

46

18

9

2014

27

21

16

5

EU-Grenzwert

40

35

40

35

STICKSTOFFDIOXID (NO2)

Bezüglich des Schadstoffs NO2 bleibt es – trotz allgemeiner Verbesserungen – an den Verkehrsmessstationen kritisch. An der Wilhelmstraße lag der Wert wie 2013 bei 50 µg/m³ im Jahresmittel; seit 2007 ist die Belastung hier um etwa 5 µg/m³ zurückgegangen. Am Adalbertsteinweg sank der Jahresmittelwert im Vergleich zum Vorjahr um 2 µg/m³ auf jetzt 48 µg/m³. Damit sind die NO2 Belastungen der zurückliegenden 5 Jahren auch hier weiter gesunken. (Hinweis: durch den vom LANUV in 2009 veranlassten Wechsel der Messtechnik sind die Werte vor dem Jahr 2009 mit den Werten danach nicht vergleichbar; zur Vermeidung von Fehlinterpretationen wurde daher in der Tabelle auf die Werte 2007 und 2008 verzichtet.)

Tabelle 4. B:

Entwicklung der NO2-Jahresmittelwerte an den Messstationen Wilhelmstraße, Adalbertsteinweg und Burtscheid

Jahr

AC-Wilhelmstraße

(Verkehrsstation)

AC-Adalbertsteinweg

(Verkehrsstation)

AC-Burtscheid

(reg. Hintergrund)

2007

55

17

2008

54

15

2009

56

51

18

2010

56

52

18

2011

51

49

16

2012

52

48

15

2013

50

50

18

2014

50

48

16

EU-Grenzwert

40

40

40

FAZIT /BEWERTUNG:

Zusammenfassend ergeben sich 2 wesentliche Erkenntnisse:

  1. Die Entwicklung der Feinstaubbelastung darf als günstig bezeichnet werden. Aachen hat heute sozusagen kein Feinstaubproblem mehr. Der Anspruch auch in Zukunft ganz im Sinne der Gesundheitsprävention weitere Verbesserungen bei der Feinstaubbelastung zu erzielen und auch in meteorologisch ungünstigen Jahren die Überschreitungstage möglichst niedrig zu halten, bleibt davon unberührt und ist nach wie vor Ziel der Stadt.
  2. Die NO2-Belastung an den „Hot-Spots“ des Verkehrs ist trotz allgemein sinkender Trends mit Werten um die 50 µg/m³ nach wie vor deutlich zu hoch und erfordert die Fortsetzung einer stringenten und ambitionierten Luftreinhaltepolitik. Die in den nächsten Jahren von moderner Fahrzeugtechnik zu erwarteten Impulse reichen bei weitem nicht aus, will man den Grenzwert von 40 µg/m³ in den kommenden 5 Jahren erreichen. Insoweit sind die notwendigen Verbesserungen nur mit einem integrierten und übergreifenden Ansatz zu erreichen, der eine auf Dauer angelegte Änderung des Mobilitätsverhaltens weg vom Individualverkehr hin zum Umweltverbund und zu einer ressourcenschonenden Multimodalität fördert.

  1. Neuer Maßnahmenplan der Stadt Aachen

Grundsätze und Ziele des Aachener Wegs haben sich aus Sicht der Stadt gegenüber 2009 nicht verändert. Die Notwendigkeit eines integrierten Ansatzes, der

• die Belange der Luftreinhaltung, des Lärm- und des Klimaschutzes verbindet,

• auf eine zukunftsweisende Gestaltung der Mobilität fokussiert und

• daher insbesondere auf den Ausbau des Umweltverbundes und die Multimodalität setzt,

hat nach wie vor Bestand.

Im Rahmen der Fortschreibung kann festgehalten werden, dass verschiedene Maßnahmen des LRP 2009 mittlerweile erfolgreich abgeschlossen oder als kontinuierlich fortgeführte Daueraufgabe bei der Stadt und den jeweiligen Handlungsträgern etabliert wurden. Einige Maßnahmen wurden in Abstimmung mit den involvierten Partnern inhaltlich überarbeitet, ergänzt, mit neuen Schwerpunkten versehen und in eine neue Maßnahmenstruktur überführt. Wenige Aufgaben des LRP 2009 haben sich als ungeeignet oder nicht realisierbar erwiesen. Das Maßnahmenprogramm 2015 wurde in der Projektgruppe vorgestellt und diskutiert. Die Ergebnisse der Diskussionen wie auch ergänzende Maßnahmenvorschläge von Bezirksregierung und Umweltverbänden wurden in die Fortschreibung des LRP eingebunden.

Das aktuelle Programm sieht 36 neue Maßnahmen vor. Die neue Struktur gliedert sich wie folgt.

Übergeordnete planerische Ansätze

4 Maßnahmen; Kernprojekte: Verankerung der Ziele und Maßnahmen des LRP im VEP-Prozess; Einbindung von LRP-Belangen (ÖPNV/Umwelttrassen) bei der Stadtplanung, insbes. bei richtungsweisenden Planvorhaben wie Innenstadtkonzept und Campus-Planungen

MMMobilitätsmanagement

7 Maßnahmen; Kernprojekte: Förderung von (betrieblichen) Mobilitätskonzepten, Jobticket und sonst. Maßnahmen zur Stärkung des Umweltverbundes; Förderung der Multimodalität

MFFahrzeuge/Fuhrpark

4 Maßnahmen; Kernprojekte: Optimierung der Fahrzeugtechnik; Elektromobilität; beschleunigte Modernisierung der Aachener Busflotte als größter Potenzialansatz (MF4 inkl. Erweiterungsoption sowie erneute Erweiterung durch „Optimierte Busflottenmodernisierung“, s. Punkt 8.1. der Vorlage)

MRRadverkehr

5 Maßnahmen; Kernprojekte: weiterer Ausbau Radwegenetz und -infrastruktur; Radschnellwege; Verleihsystem veloCITY

MBBus & Bahn

10 Maßnahmen; Kernprojekte: Busnetzkonzept 2015+; „Mobilitätsverbund Aachen“; Ausbau Euregiobahn; Optimierung Bahnhaltepunkte; neue Kooperationen, Verbesserung von Information und Tarifangeboten

MPOptimierung PKW-Verkehr

2 Maßnahmen; Kernprojekte: Minimierung Parksuchverkehre

SSonstige Maßnahmen

4 Maßnahmen; Kernprojekte: emissionsarme Baumaschinen, Grün in der Stadt

Die konkreten Inhalte und Beschreibung der einzelnen Maßnahmen können dem Entwurf des LRP-Berichts entnommen werden (siehe dort: Maßnahmenblätter).

  1. Die Umweltzone (UZ) - Auslaufmodell oder „Turbo“ für die Lufthygiene?

Eine Umweltzone ist ein geographisch definiertes Gebiet – meist in städtischen Ballungsräumen–, das nur den Zugang von bestimmten, als schadstoffarm gekennzeichneten Fahrzeugen erlaubt und als Ziel die Verbesserung der Luftqualität hat (Quelle: wikipedia). Ein Befahren der Umweltzone ist nur mit einer GRÜNEN Umweltplakette (sog. Feinstaubplakette) zugelassen.

6.1. Hintergrund

Die fachliche Zielrichtung von Umweltzonen fokussierte von Beginn an auf das Thema Feinstäube. Auch daher wurden die Zonen bundesweit häufig als „Feinstaubzonen“ deklariert (die Plakette heißt daher auch „Feinstaubplakette“). Angesichts der quasi ausgeräumten Feinstaubprobleme (siehe Punkt 4. der Vorlage) und insoweit aus fachlicher Überzeugung, hatte sich die Verwaltung bei der Neuaufstellung des Luftreinhalteplans erneut für einen integrierten, nachhaltigen und effektiven Maßnahmenplan ohne Umweltzone ausgesprochen.

Auf Grund darstellbarer Erfolge (vgl. Punkte 3. und 4. der Vorlage) bestand in der Arbeitsgruppe zunächst Einvernehmen, den bislang eingeschlagenen, von allen Partnern gemeinsam getragenen Aachener Weg fortzusetzen. Im Frühjahr 2014 wurde dieser Konsens von LANUV, Bezirksregierung und Umweltverbänden zunehmend in Frage gestellt. Trotz ungebrochener Anerkennung der Aachener Erfolge und Fortschritte in Sachen Luftreinhaltung und Förderung des Umweltverbundes, wurden in der Folge zunehmend Kritik und Vorwürfe laut, wonach die Verwaltung

  1. die Wirkung der Umweltzone für die Luftreinhaltung bewusst herunterspiele und gleichzeitig die erzielten Luftreinhalteerfolge der zurückliegenden Jahre „beschönige“ und
  2. im Kern davor zurück scheue, unbequeme bzw. unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen, die insbesondere den Pkw-Nutzer (schärfer) sanktionieren.

Zur Schaffung von Transparenz verknüpft mit der Hoffnung, die Bezirksregierung doch noch für eine Fortsetzung des Aachener Weges gewinnen zu können, hat die Fachverwaltung die Umweltzone Aachen auf den Prüfstand gestellt.

6.2. Der jährliche Wirkungsverlust und das baldige Ende

Durch Verschiebungen in der Fahrzeugflotte sinkt die Wirkung der Umweltzone seit Jahren kontinuierlich; schon heute verfügen nahezu 95 % der Pkw in Aachen über eine grüne Plakette; LkW und Busse ziehen zuletzt ebenfalls rasch nach. Ein Blick auf die Straße genügt: Fahrzeuge mit gelber und roter Plakette gehören schon heute zu den „Exoten“.

Es kann kaum verwundern, dass neu eingerichtete Umweltzonen in Deutschland nach einer aktuellen Studie nur noch einen geringen und auf wenige Jahre begrenzten Beitrag zur Luftreinhaltung leisten können (Quelle: Strassenverkehrstechnik 4.2014; Analyse der Wirksamkeit von Umweltzonen hinsichtlich Feinstaub- und Stickstoffoxidkonzentrationen, Verfasser: M. Bolze, W. Jiang, S. Groer, D. Scheuvens). Während der Effekt der Umweltzone auf die Feinstaubbelastung noch „darstellbar“ ist, ist ihre tatsächliche Wirkung auf die NO2 Belastung marginal. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Entwicklung der Fahrzeugflotte in Städten mit Umweltzone von der in Aachen ohne Umweltzone nur marginal abhebt. Auch dies ein Fingerzeig, der die Notwendigkeit einer Umweltzone In Aachen als „Treiber“ einer umweltfreundlicheren Fahrzeugflotte in Frage stellt.

Graphik 6.2. A: Entwicklung der Schadstoffklassen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in AC

Graphik 6.2. B: Entwicklung der Schadstoffklassen schwere Nutzfahrzeuge u. Busse in AC

Die Graphiken zeigen die enorme Dynamik hin zu Schadstoffklassen, die die Kriterien der Umweltzone erfüllen. Für den Pkw-Bereich ist der Prozess nahezu abgeschlossen; der Bereich der Nutzfahrzeuge wird in wenigen Jahren nachgezogen sein.

Graphik 6.2. C:

Vergleich der zugelassenen Kfz nach Euro-Norm für Aachen und diverse Städte mit UZ

Gemessen an den Euro-Normen (nicht identisch mit der Schadstoffklassifizierung nach Plaketten!) besteht kein signifikanter Unterschied zwischen Aachen und Städten mit Umweltzone. Im Umkehrschluss bedeutet dies: führt Aachen die Umweltzone ein, „passiert“ (nahezu) nichts.

Angesichts der aussichtslosen Lage zahlreicher Großstädte (allen voran Stuttgart, München, Köln, jeweils mit Umweltzone), die geltenden EU-Grenzwerte in angemessener Zeit einzuhalten, schärft sich jetzt der Blick von Städten und Fachwelt auf die wahre „Misere“: das noch immer wachsende Verkehrsaufkommen. Mit den traditionellen Methoden kommunalen Handelns ist dies aber nur in begrenztem Umfang und in kleinen Schritten zu beeinflussen (siehe auch Punkt 7.)

6.3. Die tatsächliche Wirkung einer Umweltzone für Aachen

Wiederholt hatte die Verwaltung das LANUV in 2014 aufgefordert, die vorgelegte theoretische Maximalabschätzung zur Wirkungsermittlung einer Umweltzone in Aachen an die Realität anzupassen. Insbesondere die durch die ASEAG Innovationsstrategie (MF4) erzielbaren Schadstoffminderungen sollte in der Bewertung Berücksichtigung finden. Der Entwurf des Luftreinhalteplans hält an der standardisierten Bewertungsmethode des LANUV und den darin verankerten (praxisfernen) Annahmen fest. Diese Vorgehensweise hat die Verwaltung veranlasst, eine aachen- und praxisbezogene Analyse vorzulegen.

Eingang in die Analyse der Verwaltung finden die Ergebnisse der Innovationsstrategie der ASEAG sowie verschiedene Eckdaten des LANUV zu Verkehrsmengen. Gegenüber der LANUV-Analyse wurden folgende Annahmen getroffen, die den Erfahrungen anderer Städte Rechnung tragen:

Busse von ASEAG und Subunternehmern (kurz: Subs) erfüllen die Kriterien der Umweltzone oder werden mit Partikelfiltern nachgerüstet, um dem gesetzlichen Anspruch einer Umweltzone nachzukommen. Dies betrifft bei ASEAG aktuell ca. 30-40 Euro3 Busse; bei den Subs auch etwa 30 Euro2- und Euro3-Busse.

[Das LANUV geht in der Modellberechnung von der theoretischen Annahme aus, dass umgehend 100% aller Busse gegen emissionsarme (Neu-)Fahrzeuge ausgetauscht werden]

30 % der Halter rüsten ihr Kfz mit Partikelfilter nach (Nachrüstung wird aktuell vom Bund gefördert)

[Das LANUV trifft auch hier die theoretische Annahme, dass umgehend, 100% aller Kfz gegen (Neu-)Fahrzeuge ausgetauscht werden]

10 % der Halter erhalten für das Kfz eine Ausnahmegenehmigung oder fahren ohne Plakette weiter und nehmen evtl. Sanktionen (Bußgeld) in Kauf.

[Das LANUV berücksichtigt in den Berechnungen KEINE Ausnahmen]

Das Ergebnis ist bemerkenswert: Der realistisch anzusetzende Beitrag einer Umweltzone in Aachen für den Schadstoff NO2 an den relevanten Belastungsschwerpunkten (Adalbertsteinweg, Wilhelmstraße) liegt gerade noch zwischen 0,8 und 1,1 µg/m³ (2015). Bis Ende 2020 werden sich diese Werte um weitere etwa 50 - 70% auf dann ca. 0,3 – 0,6 µg/m³ reduzieren. Einen signifikanten Beitrag zur nachhaltigen Lösung der Luftreinhalteprobleme kann die Umweltzone daher nicht leisten. Die seitens LANUV vorgelegte theoretische Maximalabschätzung hat für 2015 Minderungspotentialen von bis mehr als 4 µg/m³ ermittelt; die tatsächliche Wirkung wird seitens LANUV also weit überschätzt!

Graphik 6.3. A:

Adalbertsteinweg: theoretisches und realistisches Minderungspotential der UZ

Die Wirkung der Umweltzone am Adalbertsteinweg (vergleichbar für die meisten anderen Hot-Spots in Aachen) liegt mit weniger als 1 µg/m³ nur bei 25 – 30 % der Wirkung einer ambitionierten Busflottenmodernisierung (ASEAG und Subs). Die Minderung durch Pkw liegt insgesamt bei weniger als 1 µg/m³.

Nicht die Umweltzone ist (wie im Berichtsentwurf auf S. 152 aufgeführt) die besondere Chance für die Luftreinhaltung, sondern – wie die Grafik deutlich zeigt – eine ambitionierte Modernisierung der Busflotte. Sie liefert dauerhaft und schnell notwendige Luftqualitätsverbesserungen. Im Umkehrschluss: die Umweltzone kann aus sich heraus, auch wegen der Förderung von Nachrüstungssystemen (Filtertechnik) durch den Bund, gar keine entscheidenden Impulse setzen.

Graphik 6.3. B:

Wilhelmstraße: theoretisches und realistisches Minderungspotential der UZ

Die Wirkung der Umweltzone an der Wilhelmstraße liegt gleichauf mit einer ambitionierten Busflottenmodernisierung (ASEAG und Subs). Die Minderung durch Pkw liegt auch hier bei nur etwa 1 µg/m³.

6.4. Abschätzung der finanziellen Auswirkungen der Umweltzone

Die Einrichtung einer Umweltzone verursacht direkte und indirekte Kosten.

Die direkten Kosten (Neuanschaffung und Montage von Schildern, personelle Aufwände für Erteilung von Ausnahmegenehmigungen, erforderliche Investitionen in Fahrzeuge zur Filternachrüstung) sind relativ gut kalkulierbar und betragen nach einer ersten vorläufigen Abschätzung etwa 470.000 Euro über 5 Jahre.

Dagegen lassen sich die indirekten Kosten für die Stadt (u.a. Marketingkosten, geringere Gewerbesteuereinnahmen im Einzelhandel durch geringere Umsätze, Umsatzeinbußen u.a. bei städtischen Gesellschaften) nur schwer beziffern, dürften jedoch ebenfalls beträchtlich sein.

Tabelle 6.4. A: Abschätzung der finanziellen Auswirkungen einer Umweltzone

Jahr

Kosten der Umweltzone in €

2015

2016

2017

2018

2019

Investitionen (Schilder)

-100.000

-2.000

-2.000

-2.000

-2.000

Personal

Ausnahmegenehmigung

Stelle A 5)

-21.000

-21.000

-21.000

-21.000

-21.000

Einnahmen Verwarnungsgelder

+ 40.000

+40.000

+30.000

+20.000

+10.000

Filternachrüstung ÖPNV

a) ASEAG

b) Subunternehmer

c) Stadtbetrieb

100.000

200.000

50.000

0

0

0

0

Marketing

-20.000

-10.000

0

0

0

Summe

-451.000

+7.000

+7.000

-3.000

-13.000

Gesamtkosten - 469.000 €

6.5. Schlussfolgerungen

Die Wirkung der Umweltzone wird durch die theoretische Maximalabschätzung des LANUV deutlich überschätzt. Die Umweltzone stellt in keiner Weise den „ersehnten“ großen Schritt in Richtung „saubere Luft“ und Einhaltung der EU-Grenzwerte dar.

Das Thema Umweltzone verstellt den Blick auf das Wesentliche! Saubere Luft, weniger Lärm und klimaverträglicher Verkehr ist in den meisten Städten nur dann zu erreichen, wenn die Ursachen des Kraftfahrzeugverkehrs (ganz besonders des Pendlerverkehrs) analysiert und daraus strategisch geeignete und nachhaltige Mobilitätsmaßnahmen abgeleitet werden.

Die kurz bis mittelfristige Wirkungstiefe der Umweltzone ist im Vergleich zu anderen Mobilitätsmaßnahmen und Strategien einseitig und kann auch hier nicht überzeugen.

Tabelle 6.5. A: Wirkungstiefe verschiedener Handlungsansätze für die Zeit 2015 – 2020


Anlagen können jeweils im Originaldokument eingesehen werden.

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Weitere zu dieser Vorlage gefundene Ortsangaben

  • Markt
  • Wilhelmstraße
  • Adalbertsteinweg

Beratungsfolge

Mittwoch, 22. April 2015Rat/10/WP.17 öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Stadt Aachen

Art
Anhörung/Empfehlung
Ausschuß
Rat der Stadt Aachen
Details
Tagesordnung

Donnerstag, 16. April 2015MA/07/WP.17 öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Mobilitätsausschusses

Art
Anhörung/Empfehlung
Ausschuß
Mobilitätsausschuss
Details
Tagesordnung

Donnerstag, 16. April 2015AUK/12/WP.17 öffentliche/nichtöffentliche Sondersitzung des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz

Art
Anhörung/Empfehlung
Ausschuß
Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
Details
Tagesordnung

Wirkung auf …

Maßnahme

Luft-reinhaltung

Lärm-minderung

Klima-schutz

Bewegung,

Gesundheit

Nach-haltigkeit

Radverkehrs-förderung

(inkl. Pedelec)

hoch

mittel

hoch

sehr hoch

sehr hoch

Innovationsstrategien ÖPNV

sehr hoch

gering

gering

mittel

hoch

Einführung

Umweltzone

mäßig