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Tarifliche und vertriebliche Angelegenheiten (AVV)
Einführung eTarif AVV


Letzte Beratung
Donnerstag, 18. März 2021 (öffentlich)
Federführend
Aachener Verkehrsverbund
Originaldokument
http://ratsinfo.aachen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=22914

Erläuterungen:

Hintergrund und Zielsetzung

Vor dem Hintergrund der Erreichung globaler Klimaziele und der damit verbundenen Senkung des CO2-Ausstoßes ist die Stärkung des Modal-Splits zugunsten des ÖPNV eine gemeinsame Aufgabe von ÖPNV-Akteuren und politischen Vertretern.

Während Kundenumfragen einheitlich zeigen, dass dieses Ziel in erster Linie über eine Ausweitung des Verkehrsangebots, eine Verdichtung der Taktung sowie betriebsbezogene Maßnahmen (z.B. Sauberkeit) zu erreichen ist, spielen auch tarif- und vertriebsbezogene Aspekte eine wichtige Rolle bei der Bewertung des ÖPNV. Einfach einsteigen und fahren und sich keine Gedanken zum passenden Tarifprodukt machen. Sicherheit und Vertrauen zu fairen, individuellen und transparenten Preisen und Bewusstsein darüber, diese zu erhalten. Dies sind zentrale Forderungen der Fahrgäste des ÖPNV, um aktuell bestehende tarifliche und vertriebliche Barrieren und Hemmnisse bei der Nutzung abzubauen.

Eine vielversprechende Möglichkeit hierzu ergibt sich aus der Digitalisierung des Vertriebs, insbesondere aus der sogenannten Check-In-Check-Out-Technologie (CiCo), mit der sich der Kunde bei Fahrtantritt über eine App auf seinem Smartphone in das System eincheckt und unmittelbar ein gültiges Ticket erhält. Bei Beendigung der Fahrt checkt sich der Kunde wieder aus und ihm wird stets der richtige Preis bzw. das richtige Ticket berechnet. Tarifkenntnisse werden somit nicht mehr benötigt.

Diese und andere Fortschritte im Bereich Vertrieb haben maßgebliche Auswirkungen auf den Bereich Tarif und revolutionieren somit die gesamte Denkweise der Tarifpolitik. Der Zielkonflikt, der in der analogen Welt zwischen Einfachheit und Individualität bestanden hat, löst sich durch die neuen digitalen Möglichkeiten. Durch den Wegfall des manuellen Ticketerwerbs und die einfache transparente Kommunikation der Preise an die Fahrgäste kann der Fokus auf Fairness, Individualität und Flexibilität gesetzt werden.

Die Einführung eines kilometerbasierten Tarifs mit einer Berechnung der Luftlinienkilometer beseitigt die bislang bestehenden Tarifsprünge an Grenzen (Preisstufen, Kommunen, Verbünde, Länder) und bietet zudem maximale Fairness für Fahrgäste dadurch, dass Umwege, die durch den Linienweg zwangsläufig unternommen werden, nicht in Rechnung gestellt werden. Auch perspektivisch bietet der eTarif umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten, um eine zielgruppengerechte und ausdifferenzierte Tarifgestaltung vorzunehmen, ohne dass dies zu Lasten der Einfachheit erfolgt.

Als Zielgruppe sollen zunächst die Gelegenheitskunden angesprochen werden, die aufgrund der Komplexität der aktuellen Tariflandschaft besonderen Nutzungshemmnissen gegenüberstehen. Der eTarif ist ausschließlich über einen CiCo-Vorgang über eine entsprechende App des Fahrgast-eigenen Smartphones erhältlich. Der heutige Tarif bleibt parallel zum eTarif bestehen und ist weiterhin über die gängigen Vertriebskanäle und mit Umsetzung der ZVP ebenfalls über online Vertriebskanäle verfügbar.

Damit die Einführung eines flächendeckenden NRW e-Tarifs erreicht werden kann, arbeiten die zuständigen Akteure in NRW eng zusammen. Es ist Grundvoraussetzung, dass in den einzelnen Verbundräumen in NRW auf Luftlinienkilometern basierende eTarife geschaffen werden. Ziel des AVV ist es, bei der Bildung des eTarifs sowohl die Anforderungen innerhalb des AVV-Gebietes und NRW zu berücksichtigen als auch Ansätze für die grenzüberschreitende eTarif-Bildung zu schaffen. Durch den ID-Ticketing-Ansatz, welcher im Rahmen des easyConnect-Projektes weiterentwickelt wird (s. Top „Sachstand easyConnect”), wird die technische Grundlage geschaffen, dass Fahrgäste zukünftig nicht nur in ganz NRW flexibel reisen, sondern dies ebenfalls grenzüberschreitend einfach per Smartphone erfolgt.

Im Rahmen der Konzeptionierung zur Einführung des eTarif NRW wurden NRW-weit einheitliche Leitplanken zur Gestaltung der regionalen eTarife gesetzt und somit ein weiterer großer Schritt in Richtung NRW-weite Harmonisierung erreicht.

Ziel des eTarifes ist es, verständliche und kundenfreundliche Lösungen zu schaffen, um bestehende Zugangshürden abzuschaffen, die ÖPNV-Nutzung zu steigern und somit einen wirkungsvollen Beitrag zur Verkehrswende zu leisten. Insbesondere die Gewinnung von neuen Kunden für das System ÖPNV ist zentrales Ziel.

Aus Sicht der Verkehrsunternehmen gilt es, mit Hilfe des eTarifs die digitalen und online-basierten Vertriebskanäle zu fördern und somit perspektivisch flexible, effiziente und kostensparende Vertriebssysteme zu stärken.

Rahmenbedingungen / Leitplanken für den eTarif AVV

Bei der Schaffung des eTarifs wurden die Ergebnisse der eTarif-Piloten von VRS und VRR in die Bewertung einbezogen. Zudem stellten die zeitgleich stattfindenden Abstimmungen auf Landesebene Rahmenbedingungen für den eigenen eTarif dar, so einigte man sich beispielsweise landesweit auf die Einhaltung von Bandbreiten, um im Sinne der Fahrgäste bei verbundraumüberschreitenden Fahrten Tarifsprünge zu vermeiden. Die Preishöhen der eTarif-Piloten sowie des linienkilometerbasierten OV-Tarifs von Arriva stellen Orientierungswerte für den eTarif AVV dar, da sich allzu große Abweichungen nachteilig für die Fahrgäste auswirken würden.

Die Verbundgesellschaft und die Verkehrsunternehmen im AVV werden bei der Abstimmung zum eTarif von der exeo Strategic Consulting AG (exeo) beraten. Um einen für den gesamten AVV geeigneten eTarif zu entwickeln, wurden zunächst Bewertungskriterien aufgestellt. Diese Bewertungskriterien wurden im Rahmen eines Workshops von Verbundgesellschaft und Verkehrsunternehmen gemeinsam erarbeitet und gewichtet und stellen die Reduktion der tariflichen Komplexität und die Neukundengewinnung in das Zentrum der Betrachtung des eTarifs. Zudem wurde auch die Preiskalkulation zum eTarif von exeo unter Berücksichtigung des Aspekts Wirtschaftlichkeit übernommen.

Die Einführung des eTarifs soll in Form eines Regeltarifs stattfinden. Zum Starttermin soll der eTarif in einfacher und gut kommunizierbarer Form angeboten werden und eine weitere Ausdifferenzierung schrittweise zu späteren und noch zu definierenden Zeitpunkten stattfinden.

Tarif

Im Rahmen mehrerer Workshops der AG eTarif, bestehend aus Teilnehmern der Verbundgesellschaft, exeo und den Verkehrsunternehmen, wurden gemeinsam die grundlegenden Tarifparameter für einen eTarif für den AVV abgestimmt. Der eTarif AVV soll sich aus einem Grundpreis und einem auf Luftlinienkilometern basierenden Arbeitspreis zusammensetzen. Hierbei soll ein Preisdeckel für Fahrten, die innerhalb von 24 Stunden durchgeführt werden, zur Anwendung kommen. Darüber hinaus werden Kinder, Fahrradmitnahme und Fahrten in der 1. Klasse tariflich berücksichtigt. Die Preise gelten, wie gewohnt, weiterhin in allen ÖPNV-Verkehrsmitteln im AVV.

Die Empfehlung aus der AG eTarif gestaltet sich insgesamt wie folgt:

  • Grundpreis: 1,30 Euro (Geltungsdauer 180 Minuten, danach wird der Grundpreis erneut erhoben)
  • Arbeitspreis: 0,25 Euro (Berechnung je angefangenem Luftlinienkilometer)
  • 24-Stunden-Preisdeckel je Erwachsenen für Fahrten in der 2. Klasse: 19,00 Euro (analog zum Preis des euregiotickets)
  • Kinder: 50% Rabatt gegenüber dem regulären Gesamtpreis der Fahrt
  • 24-Stunden-Preisdeckel je Kind für Fahrten in der 2. Klasse: 9,50 Euro (50% rabattierter Preisdeckel gegenüber Erwachsenen)
  • Fahrradmitnahme: 2,10 Euro je Fahrrad und Fahrt und ein 24-Stunden-Preisdeckel in Höhe von 3,20 Euro (Abbildung der heutigen Situation auch im eTarif)

Fahrten in der 1. Klasse sollen mit dem eTarif von Beginn an ermöglicht werden; die Tarifierung soll idealerweise NRW-weit einer einheitlichen Logik folgen. Die Erarbeitung erfolgt somit auf NRW-Ebene.

Systemseitig wird es ermöglicht, dass bei gleichem Start und Ziel mehrere Personen über einen Check-in-Vorgang ein Ticket erhalten. Erwachsene werden hierbei tariflich gleich berechnet, es erfolgt keine Rabattierung.

Während der eTarif perspektivisch die Möglichkeit für zahlreiche flexible und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten bietet, empfiehlt die AG eTarif, dass der eTarif AVV zum Starttermin zum Vertrauensaufbau der Fahrgäste in einfacher und gut kommunizierbarer Form angeboten wird. Auf Basis neuer Erkenntnisse soll der eTarif AVV fortlaufend weiterentwickelt werden.

Mit den benannten Preisparametern würden im Vergleich zum bestehenden Tarif ca. 50% der Fahrten höher bepreist und ca. 50% geringer.

Der eTarif AVV soll im gesamten AVV-Netz zur Anwendung kommen. Für verbundraumüberschreitende Fahrten im Bereich der Kragentarife und der Tarifkooperation AVV/VRS soll der eTarif NRW gelten, wie in der Vorlage zum eTarif NRW beschrieben.

Eine Überführung der heute bestehenden Übergangstarife Heerlen und Roermond in den eTarif ist nicht geplant. Stattdessen sollen die beiden kilometerbasierten Tarifsysteme intelligent miteinander kombiniert werden. Um tarifliche Regelungen für grenzüberschreitende Fahrten von und in die Niederlande mit dem eTarif festzulegen, befindet sich die Verbundgesellschaft aktuell bereits in Gesprächen mit Arriva Personenvervoer Nederland.

Überführungsstrategie

Da der eTarif im AVV parallel zu dem aktuellen konventionellen Regeltarif eingeführt wird, gilt es mit entsprechenden Maßnahmen die Fahrgäste zunehmend in die neue Tarifwelt zu überführen, um somit das Risiko von Einnahmenverlusten durch die Wahl des jeweils günstigeren Tarifs zu minimieren.

Infolge dessen empfehlen die Verbundgesellschaft und die Verkehrsunternehmen im AVV, die Einführung des eTarifs AVV in eine mehrjährige Überführungsstrategie einzubinden. Diese soll das Ziel verfolgen, den Großteil der Fahrgäste des Gelegenheitsverkehrs in den eTarif zu überführen, bis eine kritische Masse erreicht ist, sodass der kilometerbasierte Tarif die bestehende auf Flächenzonen basierende Tarifsystematik perspektivisch vollständig ablösen kann.

Im Rahmen dieser Überführungsstrategie werden unter Beachtung von aktuellen Entwicklungen (Rahmenbedingungen, Technik, etc.) sowohl Push- als auch Pull-Maßnahmen umgesetzt, um das zuvor genannte Ziel zu erreichen. Als Push-Maßnahmen können beispielsweise der Flächenzonentarif preislich überproportional angehoben oder manche Tarifprodukte aus dem Sortiment genommen werden. Gleichzeitig können über Pull-Maßnahmen Anreizaktionen durchgeführt werden.

Die Überführungsstrategie wird fortlaufend auf Basis der jeweils aktuellen Rahmenbedingungen, Sach- und Datenlage geprüft und weiterentwickelt.

Darüber hinaus planen die Verkehrsunternehmen gemeinsam mit der Verbundgesellschaft intensive Marketingaktionen, die insbesondere zum Zeitpunkt der Einführung, jedoch bei Erfolg auch fortlaufend, eingesetzt werden, wie z.B. Promotion Teams, Testimonials, Erklärfilm, Videochat, Dialogforum, Teilnahme an Stadtfesten / Mobilitätswoche, Aktionen mit rabattierten Preisen. Die jeweiligen Marketingmaßnahmen werden im Kontext der NRW-Aktionen betrachtet.

Zeitplan

Der weitere Projektzeitplan sieht vor, dass nach Zustimmung zu den tariflichen Grundsätzen die weitere Ausarbeitung und Konkretisierung der Tarifparameter durch die Verbundgesellschaft und die Verkehrsunternehmen im AVV erfolgt. Die parallelen Entwicklungen auf NRW-Ebene werden auch weiterhin intensiv durch die Verbundgesellschaft begleitet, da diese direkten Einfluss auf den eTarif AVV haben. Zudem gilt es, die bereits erarbeitete Überführungsstrategie zu konkretisieren.

Da der Einführungszeitpunkt des eTarifs abhängig von den technischen Entwicklungen ist, kann er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht konkret festgelegt werden. Die derzeitigen Planungen auf NRW-Ebene sehen eine Fertigstellung des NRW-weiten CiCo-Systems bis Mitte des Jahres 2021 vor, so dass im Anschluss die Implementierung der eTarife erfolgen kann. Bereits jetzt laufen intensive Arbeiten zur Anbindung des CiCo-Systems an die Zentrale Vertriebsplattform im AVV und die im Einsatz befindlichen Apps. Die Einführung des eTarifs AVV soll spätestens mit Einführung des eTarifs NRW stattfinden, dessen Einführung zum jetzigen Zeitpunkt bis Ende 2021 vorgesehen ist.

Die Verbundgesellschaft wird über die weitere Entwicklung berichten.


 

 

Beschlussvorschlag:

Der regionale AVV-Beirat der Stadt Aachen

stimmt der Einführung des eTarifs im AVV, spätestens mit Einführung des eTarifs NRW im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2021, im beschriebenen Umfang zu und nimmt die übrigen Ausführungen zu den weiter geplanten Entwicklungen zustimmend zur Kenntnis.


Anlagen können jeweils im Originaldokument eingesehen werden.

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Beratungsfolge

Donnerstag, 18. März 2021öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Mobilitätsausschusses und AVV-Beirats - ACHTUNG: Beginn der Sitzung erst um 20:00 Uhr !!!

Art
Entscheidung
Ausschuß
Mobilitätsausschuss
Details
Tagesordnung