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Bürgerbefragung und Ratsbürgerentscheid über die Drittnutzerfinanzierung im ÖPNV - Ratsantrag Nr. 285/18 der CDU-Fraktion


Letzte Beratung
Mittwoch, 14. Dezember 2022 (öffentlich)
Federführend
Dezernat II
Originaldokument
http://ratsinfo.aachen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=26020

Beschlussvorschlag:

Der Mobilitätsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

Der Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

Der Rat nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

 

 

Erläuterungen:

Die Stadt Aachen ist gem. § 3 Abs. 1 ÖPNVG NRW als Aufgabenträgerin für die Planung, Organisation, und Ausgestaltung des ÖPNV auf ihrem Gebiet und damit für die Finanzierung des ÖPNV zuständig.

Die Organisation und der Betrieb des ÖPNV werden neben den Unternehmenserlösen aus Mitteln des steuerlichen Querverbundes, über Ertrags- und Investitionszuschüsse, und des städtischen Haushaltes finanziert. Seitens der kommunalen Familie, so auch der Stadt Aachen, wird seit Jahren auf die steigenden Kosten und die unzureichende Finanzierung des ÖPNV hingewiesen. Dies belegt für die Region auch das im Jahr 2020 durch den AVV in Auftrag gegebene Civity-Gutachten, welches neben der Entwicklung von Entscheidungsgrundlagen für eine nachhaltige Veränderung des Modal-Splits zu Gunsten des ÖPNV, neue Finanzierungsmodelle, wie etwa die Drittnutzerfinanzierung, analysiert hat. Dabei bedarf das Instrument der Drittnutzerfinanzierung aktuell noch der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage.

Das Civity-Gutachten legt dar, dass die Ursachen für die hohen Kosten des ÖPNV insbesondere auf die

- allgemeinen Kostensteigerungen (insbesondere Personal),

- Angebotsausweitung (dichtere Takte, Schnellbus- und Tangentialverbindungen, längere Betriebszeiten, on-Demand),

- Umstellung auf alternative emissionsfreie Bus-Antriebe i.S.d. Clean Vehicles Directive (CVD) und den

- Erneuerungs- und Ausbaubedarf der Infrastruktur zurückzuführen sind.

Auf der anderen Seite wurde festgestellt, dass die Kosten im öffentlichen Nahverkehr stärker wachsen, als die Erlöse. Ursachen hierfür sind laut Civity-Gutachten

- die Grenzen der Nutzerfinanzierung & ggf. politisch motivierte Tarifabsenkungen sowie die

- begrenzten Regionalisierungsmittel bzw. wegbrechende Querverbunde.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen an den ÖPNV: Zur Erreichung der Klimaschutzziele muss das ÖPNV-System quantitativ und qualitativ ausgebaut werden, damit mehr Menschen auf den ÖPNV umsteigen.

Aktuelle Entwicklungen im Bereich der ÖPNV-Finanzierung:

Die aufgrund des Ukraine-Krieges getroffenen Beschlüsse zur Entlastung der von der historisch hohen Inflationsrate betroffenen Gesellschaft haben im Jahr 2022 zu bislang nie dagewesenen, den ÖPNV in Milliardenhöhe betreffenden, kurzfristigen Entscheidungen geführt. Die im Wege der Entlastungspakete getroffenen ÖPNV betreffenden Maßnahmen waren dabei geprägt von Kurzfristigkeit, verbunden mit enormen Auswirkungen auf die bisherige ÖPNV-Finanzierungssystematik.

U.a. wurde vom deutschen Bundestag das siebte Gesetz zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes beschlossen, welches für die Dauer von Juni bis August die Einführung des bundesweit geltenden 9-Euro-Ticket zur Folge hatte. Für die Finanzierung wurden seitens des Bundes 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt.

Mittlerweile wurde im Rahmen des dritten Entlastungspaketes das digital bundesweit gültige Deutschlandticket („49-Euro-Ticket“) für den avisierten Zeitraum vom 01.01.2023 bis zum 31.12.2024 beschlossen. Hierfür werden jährliche Mehraufwendungen von 3 Milliarden Euro hälftig vom Bund und den Ländern getragen. Eine Verständigung zwischen dem Bund und den Ländern über das Deutschlandticket konnte in der MPK vom 02.11.2022 lediglich vor dem Hintergrund erzielt werden, dass der Bund bereits ab dem Jahr 2022 zusätzliche Regionalisierungsmittel von einer Milliarden Euro jährlich zur Verfügung stellt. Gleichzeitig wurde im Rahmen der MPK vom 02.11.2022 beschlossen, dass ab dem Jahr 2023 die jährlich indexierte Erhöhung der Regionalisierungsmittel von bisher 1,8 % auf 3 % steigen wird. Ob und in welcher Höhe die jährlichen Beiträge der Länder steigen werden, ist derzeit noch nicht bekannt. Unabhängig von den Entscheidungen der MPK vom 02.11.2022 beraten derzeit auch der Verkehrsminister des Bundes sowie die Verkehrsminister*innen der Länder über das Ausbau- und Modernisierungspaket im Öffentlichen Personennahverkehr, welches weitere Auswirkungen auf die Attraktivität sowie die Finanzierungssystematik haben wird.

Das Deutschlandticket stellt hinsichtlich der bundesweiten Gültigkeit und des monatlichen Preises von 49 € in Bezug auf die bisherige Tarifstruktur der Verkehrsverbünde einen Paradigmenwechsel für diese dar. Dieser Paradigmenwechsel wird dabei nicht nur Auswirkungen auf die Abo-Struktur von bislang teureren Monatstickets haben, sondern auf nahezu sämtliche Tarifangebote der Verkehrsverbünde. Daher stehen die Verkehrsverbünde vor dem Hintergrund der Kurzfristigkeit der getroffenen Entscheidung, aber auch des noch unklaren Umfanges der Abnahme des Deutschlandtickets durch die Bürger*innen, vor der Herausforderung, kurzfristig die finanziellen Auswirkungen zu prognostizieren und ihre Tarifstruktur zu überarbeiten. Die Vorstände bzw. die Geschäftsführungen der Verkehrsunternehmen können der Einführung des Deutschlandtickets unter den gegebenen Bedingungen – ohne ausreichende Informationen zu den Finanzierungs- und Organisationsdetails und deren Auswirkungen auf die Unternehmen – aktuell nicht zustimmen.

Die vorgenannten Beispiele verdeutlichen die derzeit hohe Dynamik hinsichtlich der ÖPNV-Finanzierung, welche nicht nur für den Aachener Verkehrsverbund, sondern auch für die ASEAG und den Haushalt der Stadt Aachen zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht kalkuliert werden können. Der dieser Sitzungsvorlage zu Grunde liegende Ratsantrag der CDU-Fraktion vom 18.08.2022, welcher vorsieht, die Verwaltung mit der Konzeptentwicklung zur Einführung einer Drittnutzerfinanzierung im Aachener ÖPNV zu beauftragen und im Vorfeld dessen in Begleitung eines Meinungsforschungsinstitut eine repräsentative Bürgerbefragung über die Varianten der Drittnutzerfinanzierung durchzuführen, fällt inmitten dieser dynamischen Zeit, in der der Bedarf der ÖPNV-Finanzierung schwer zu kalkulieren ist.

Drittnutzerfinanzierung

Hinsichtlich der Drittnutzerfinanzierung des ÖPNV im Allgemeinen existieren bereits zahlreiche Gutachten.

Bereits im Januar 2014 stellte ein Gutachten des Deutschen Institutes für Urbanistik (Difu)[1] mit Blick auf die Netzrelevanz des ÖPNV fest, dass eine Drittnutzung des ÖPNV eine Gegenleistung rechtfertigen könnte. So sind nicht nur die regelmäßigen Fahrgäste Nutznießende des ÖPNV-Angebotes: Vielmehr nutzen auch unregelmäßige Fahrgäste und Anliegende („Drittnutzer“) das ÖPNV-Netz - u.a. als „Ausfallsicherung“ für ihre Mobilität z.B. dann, wenn das eigene Fahrzeug in der Werkstatt steht. Auch Einzelhändler*innen, Arbeitgebende oder Wohnungseigentümer*innen profitieren davon, per ÖPNV angeschlossen zu sein. Dieser „Drittnutz“ stellt zweifellos einen wirtschaftlichen Vorteil dar, der eine Erhebung von Beiträgen für den Betrieb des ÖPNV-Netzes laut Difu-Gutachten rechtfertigen könnte.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch eine vom Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg in Auftrag gegebene Grundlagenuntersuchung des Hamburg Institut for sustainable strategies aus dem Jahr 2016[2]. Hier heißt es u.a.: „Die Drittnutzerfinanzierung stellt angesichts der bestehenden Finanzierungslücken im System des ÖPNV einen interessanten […] Ansatz dar, um in Zukunft eine stabile und auskömmliche Finanzierung des ÖPNV sicherzustellen. […] Beiträge sind aus rechtlicher Sicht besonders geeignet zur Etablierung neuer kommunaler Einnahmeoptionen.“

Es gibt zur Drittnutzerfinanzierung verschiedene Instrumente, die sich dadurch unterscheiden, welche Gruppen von Personen durch die Drittnutzerfinanzierung belastet werden sollen, wie beispielsweise Arbeitgebende, Ortsfremde, Einwohnende oder Fahrzeughalter*innen. Diese Varianten wären auch unter Darlegung der jeweiligen prognostizierten finanziellen Auswirkungen bei entsprechender Beschlussfassung darzulegen. Insbesondere sollen die Varianten gem. des Ratsantrages auch die Auswirkungen eines verpflichtenden Jobtickets darlegen.

Rechtliche Einschätzung und vorgeschlagener Zeitplan:

Bislang existiert in Nordrhein-Westfalen keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, welche die Einführung einer Drittnutzerfinanzierung des ÖPNV ermöglicht. Im Zukunftsvertrag von Nordrhein-Westfalen heißt es hinsichtlich der Drittnutzerfinanzierung:

„Wir werden den Kommunen, die es wünschen, die Einführung einer Drittnutzerfinanzierung ermöglichen. Zur Einführung wird dem Rat empfohlen, hierüber einen Ratsbürgerentscheid durchzuführen. Kommunen, die eine solche Finanzierung einführen, müssen ihre bisherigen Aufwendungen für den ÖPNV aus dem kommunalen Haushalt mindestens verstetigen.“

Gegenüber dem Land NRW hat die Stadtverwaltung in Erfahrung gebracht, dass die Schaffung der noch erforderlichen – ggf. im Rahmen einer Experimentierklausel - gesetzlichen Grundlage in der Federführung des Ministeriums für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen liegen wird. Die Schaffung dieser gesetzlichen Grundlage wird maßgeblich den weiteren Zeitplan bestimmen.

Anschließend wäre unter Hinzuziehung eines Meinungsforschungsinstitutes eine repräsentative Bürger*innenbefragung über die möglichen Varianten der Drittnutzerfinanzierung durchzuführen. Erst dann können die Grundlagen für einen möglichen Ratsbürgerentscheid vorbereitet werden.

Unter Abwägung der Kostenauswirkungen der derzeit getroffenen Entscheidungen und der ggf. erforderlichen Strukturveränderungen der Verkehrsverbünde sind die Grundlagen aktuell nicht dazu geeignet, eine Entscheidungsvorlage zur Drittnutzerfinanzierung vorzulegen. Insofern neue Grundlagen, wie bspw. der an die neuen Rahmenbedingungen angepasste Finanzbedarf des ÖPNV prognostiziert werden können, wird die Verwaltung einen entsprechenden Entscheidungsvorschlag vorlegen.

[1] „Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge – Ist das Beitragsmodell eine Handlungsoption zur Finanzierung eines attraktiven ÖPNV-Betriebes“, Januar 2014, Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Deutsches Institut für Urbanistik

[2] Grundlagenuntersuchung Instrumente zur Drittnutzerfinanzierung für den ÖPNV in Baden-Württemberg“ , Oktober 2016, Maaß/Barth/Bernecker/Dünnebeil/Waluga/Weyland, Hamburg Institute for sustainable strategies. URL: vm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mvi/intern/Dateien/PDF/OEPNV_Grundlagenuntersuchung_Instrumente_Drittnutzerfinanzierung_BW.pdf (zuletzt aufgerufen am 02.11.2022).

 

 

Finanzielle Auswirkungen

JA

NEIN

x

Investive Auswirkungen

Ansatz

20xx

Fortgeschriebener Ansatz 20xx

Ansatz 20xx ff.

Fortgeschriebener Ansatz 20xx ff.

Gesamt­bedarf (alt)

Gesamt­bedarf (neu)

Einzahlungen

0

0

0

0

0

0

Auszahlungen

0

0

0

0

0

0

Ergebnis

0

0

0

0

0

0

+ Verbesserung /

- Verschlechterung

0

0

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

konsumtive Auswirkungen

Ansatz

20xx

Fortgeschriebener Ansatz 20xx

Ansatz 20xx ff.

Fortgeschriebener Ansatz 20xx ff.

Folge-kosten (alt)

Folge-kosten (neu)

Ertrag

0

0

0

0

0

0

Personal-/

Sachaufwand

0

0

0

0

0

0

Abschreibungen

0

0

0

0

0

0

Ergebnis

0

0

0

0

0

0

+ Verbesserung /

- Verschlechterung

0

0

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

Weitere Erläuterungen (bei Bedarf):

Kommunen, die eine Drittnutzerfinanzierung einführen, müssen so sieht es zumindest der Wortlaut des Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen vor – ihre bisherigen Aufwendungen für den ÖPNV mindestens verstetigen. Insofern zielt die Einführung einer Drittnutzerfinanzierung nicht auf die Entlastung des städtischen Haushaltes ab. Vielmehr soll eine nachhaltige Finanzierungssäule für die Ausweitung des ÖPNV geschaffen werden. Die finanziellen Auswirkungen hängen maßgeblich von der Variante der Drittnutzerfinanzierung ab.

Im Haushaltsplanentwurf 2023 hat die Verwaltung entsprechende Mittel für die Durchführung eines Ratsbürgerentscheides eingeplant.


Klimarelevanz

Bedeutung der Maßnahme für den Klimaschutz/Bedeutung der Maßnahme für die

Klimafolgenanpassung (in den freien Feldern ankreuzen)

Zur Relevanz der Maßnahme für den Klimaschutz

Die Maßnahme hat folgende Relevanz:

keine

positiv

negativ

nicht eindeutig

X

Der Effekt auf die CO2-Emissionen ist:

gering

mittel

groß

nicht ermittelbar

X

Zur Relevanz der Maßnahme für die Klimafolgenanpassung

Die Maßnahme hat folgende Relevanz:

keine

positiv

negativ

nicht eindeutig

Größenordnung der Effekte

Wenn quantitative Auswirkungen ermittelbar sind, sind die Felder entsprechend anzukreuzen.

Die CO2-Einsparung durch die Maßnahme ist (bei positiven Maßnahmen):

gering

unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels)

mittel

80 t bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels)

groß

mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels)

Die Erhöhung der CO2-Emissionen durch die Maßnahme ist (bei negativen Maßnahmen):

gering

unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels)

mittel

80 bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels)

groß

mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels)

Eine Kompensation der zusätzlich entstehenden CO2-Emissionen erfolgt:

vollständig

überwiegend (50% - 99%)

teilweise (1% - 49 %)

nicht

nicht bekannt

 

 

Anlage:

Antrag der CDU-Ratsfraktion vom 18.08.2022


Anlagen können jeweils im Originaldokument eingesehen werden.

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Beratungsfolge

Mittwoch, 14. Dezember 2022Sitzung des Rates der Stadt Aachen

Art
Kenntnisnahme
Ausschuß
Rat der Stadt Aachen

Dienstag, 13. Dezember 2022Sitzung des Finanzausschusses

Art
Kenntnisnahme
Ausschuß
Finanzausschuss
Details
Tagesordnung

Donnerstag, 01. Dezember 2022Sitzung des Mobilitätsausschusses

Art
Kenntnisnahme
Ausschuß
Mobilitätsausschuss
Details
Tagesordnung