29. Oktober 2018 Nachgereicht - das Urteil Umwelthilfe vs. Stadt Aachen aus dem Juni 2018
Auf der Seite des Verwaltungsgerichts Aachen könnt ihr nochmal in Ruhe das Urteil der Klage der Umwelthilfe gegen die Stadt aufgrund Nicht-Einhaltung der NO2-Grenzwerte nachlesen.
#dieselfahrverbote
In Anbetracht der Tatsache, dass die Grenzwerte bereits seit dem 1.1.2010(!!) verbindlich gelten, betont das Gericht in seinem Urteil mehrfach, dass die Grenze "schnellstmöglich" eingehalten werden müssen - wenn es schneller als 2020 geht, ist 2020 NICHT als schnellstmöglich anzusehen.
"Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, verstößt eine Luftreinhalteplanung gegen die Verpflichtung, den Zeitraum einer Überschreitung des Grenzwerts "so kurz wie möglich" zu halten, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 1. Januar 2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und die vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können." (Abs. 50)
"Der Luftreinhalteplan muss daher so geändert werden, dass er die erforderlichen Maßnahmen enthält, die die schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwerts für NO2 erwarten lassen. Hierauf hat der Kläger einen Anspruch." (Abs. 66)
Man liest, dass das Gericht vermutlich richtig schlecht gelaunt ist:
"Ungeachtet dessen, dass es - mit Ausnahme der Maßnahmen "Busflottenerneuerung“, "Lkw-Durchfahrtverbot“ und "grüne Umweltzone" - hinsichtlich der einzelnen Maßnahmen ohnehin an Wirkungsprognosen ihres jeweiligen NO2-Minderungspotenzials fehlt, so dass schon nicht nachvollziehbar ist, worauf der Beklagte seine Prognose stützt, der Grenzwert könne (spätestens) ab dem Jahr 2025 eingehalten werden, ist der vom Plangeber für das Wirksamwerden der in den Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen vorgesehene Zeitrahmen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts damit zu weit gefasst und erlaubt nicht die geforderte "schnellstmögliche Einhaltung" des Grenzwerts für NO2." (Abs. 54)
Bemängelt wird u.a. auch, dass etliche Maßnahmen des Luftreinhalteplans abhängig von Dritten und damit nicht in den Händen der Stadt liegen:
"Überdies enthält der Luftreinhalteplan eine Reihe von Maßnahmen, die - im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - von Bedingungen abhängig gemacht werden, deren Eintritt ungewiss ist und die vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können, weil sie etwa auf ein geändertes Verkehrsverhalten abzielen, zuvor politischer Leitentscheidungen oder Förderzusagen bedürfen oder Unternehmen, Landesbehörden etc. betreffen, die die in ihre Zuständigkeit fallenden Entscheidungen entweder noch gar nicht getroffen oder aber jedenfalls noch nicht vollständig umgesetzt haben." (Abs. 55)
Keine gute Laune hat das Gericht offensichtlich auch bei der schleppenden Umsetzung etlicher Maßnahmen:
"... hier beispielhaft die nach wie vor fehlende Einführung eines Jobtickets in Kombination mit einer Parkraumbewirtschaftung bei Landesbehörden und Gerichten, u.a. auch beim Justizzentrum Aachen [MM6] -, die bislang erst im Ansatz erfolgte Umsetzung der Maßnahmen zur Unterstützung des Fahrradverleihsystems w. [MR1] - von den geplanten 100 Stationen für 1.000 Pedelecs wurden bislang erst 21 Stationen mit rund 80 Rädern aufgebaut (Ende 2018 waren es dann 29 Stationen, Anm. d. Red.)-, die noch nicht vollständig umgesetzte Busflottenoptimierung [MF4] - es befahren nach wie vor mehrere Dutzend Busse der Auftragsunternehmen die Umweltzone Aachen, die die Abgasnorm Euro 5 nicht erfüllen und lediglich mit grüner Plakette und Dieselpartikelfiltern, nicht aber mit die Emission von NO2 mindernden SCRT-Filtern ausgerüstet sind -, etc.; vgl. im Einzelnen zum Stand der Umsetzung der Maßnahmen, insbesondere derer, die lediglich als "teils umgesetzt", "in Prüfung/Vorbereitung" oder - betreffend den Einsatz emissionsarmer Baumaschinen bei städtischen Vorhaben - sogar als "ruhend gestellt" gekennzeichnet sind, die letzte "Sachstandsmeldung" der Beigeladenen zur Umsetzung des Luftreinhalteplans Aachen, Stand: 28. Mai 2018, BA XXIII, Bl. 16 ff. 57
Einer näheren Betrachtung der einzelnen im Luftreinhalteplan festgelegten Maßnahmen bedarf es vor diesem Hintergrund nicht, zumal sie nachweislich bislang nicht zur Zielerreichung geführt haben, wenn sie auch jede für sich genommen sowie in ihrer Gesamtheit bei konsequenter Umsetzung aus Umweltschutzgründen durchaus begrüßenswert sind und positive Effekte haben können.
Der Luftreinhalteplan in der aktuellen und vorliegend maßgeblichen Fassung aus dem Jahr 2015 enthält damit keine Maßnahmen, deren Umsetzung die schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwerts für NO2 erwarten lässt." (Abs. 56ff)
Am Ende verwahrt sich das Gericht ausdrücklich gegen politische Bewertungen der Sachlage:
"Abschließend merkt die Kammer an, dass die in jüngster Vergangenheit in verschiedenen Presseveröffentlichungen wiedergegebenen Aussagen politischer Entscheidungsträger, dass es ein Dieselfahrverbot in Nordrhein-Westfalen bzw. in Aachen nicht geben werde, selbstverständlich nur so verstanden werden können, dass diese Aussagen - im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie der Kammer - nur für den Fall gelten sollen, dass es ein gleich geeignetes Maßnahmenpaket gibt, das in den Luftreinhalteplan zum 1. Januar 2019 aufgenommen werden kann und auf belastbarer Grundlage die schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung sicherstellt. Nur dann kann nämlich auf ein Dieselfahrverbot verzichtet werden." (Abs. 123)
Ausgehend von diesem Urteil dürfte es spannend werden, ob die Fortschreibung des Luftreinhalteplans (PDF), die nun vorliegt, diesem Urteil Genüge tut. Zumal aus den Grafiken hervorgeht, dass in der Tat ein Fahrverbot die schnellstmögliche Variante darstellen würde...
Evtl. wird es letztendlich eine Auseinandersetzung über die Gewichtung der beiden Wörter "schnellstmöglich" vs. "verhältnismäßig".
Schnellstmöglich: Einhaltung der Grenzwerte
Verhältnismäßig: Verhängung von Fahrverboten
Bis zum 29.11. läuft noch eine Öffentlichkeitsbeteiligung zum Luftreinhalteplan.