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Anregung gemäß § 24 GO NRW; hier: Einrichtung eines Friedwaldes


Letzte Beratung
Donnerstag, 05. Dezember 2019 (öffentlich)
Federführend
Fachdienst KDW
Originaldokument
http://ratsinfo.wuerselen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=5129

Der Bürgerausschuss empfiehlt dem Haupt- und Personalausschuss folgenden Beschluss zu fassen:

Der Haupt- und Personalausschuss spricht sich gegen die Einrichtung eines Friedwalds aus.

gez. Nelles . gez. von Hoegen Bürgermeister Nelles ETB von Hoegen

gez. Stolten (16.10.2019) .

Fachdienstleiter KDW Stolten

 

 

Darstellung des Vorgangs:

Die Städtische Seniorenstube Linden-Neusen verfasste mit Datum vom 27.07.2019 ein Schreiben an den Bürgermeister und bittet darum, den Gedanken zur Einrichtung eines Friedwalds zu diskutieren.

Die Einrichtung eines solchen Friedwalds in Würselen ist aus Verwaltungssicht abzulehnen.

Ein Friedwald mag für Kommunen mit einer entsprechenden Topographie und Infrastruktur ein probates Mittel sein, Waldfläche zu vermarkten und Einnahmen zu generieren, im Falle der Stadt Würselen sprechen jedoch zahlreiche Gründe gegen die Einführung eines Friedwalds. Diese Gründe werden im Folgenden erläutert.

Die Bereitstellung von Friedhöfen zählt zu den kommunalen Pflichtaufgaben. In Würselen werden 8 aktive Friedhöfe betrieben. Die Bestattungskultur befindet sich seit Jahren in stetigem Wandel. Die Mobilität jüngerer Generationen ist, was den Lebensmittelpunkt betrifft, höher als in der Vergangenheit, so dass Hinterbliebene oftmals aufgrund der Entfernung zwischen Wohnort und dem Grab eines Familienangehörigen keine Grabpflege durchführen können. Davon abgesehen sinkt aber auch die Bereitschaft der Hinterbliebenen ein Grab pflegen zu wollen und die Versterbenden wollen ihrer Familie keine langjährige Grabpflege aufbürden, so dass die Nachfrage nach pflegeleichten Grabarten immens gestiegen ist und weiterhin steigt. Die Anzahl von klassischen Erdwahl- und Reihengräbern nimmt ab, während die Anzahl der Rasenbestattungen (vor allem Urnen) und Bestattungen in Urnenstelen immer weiter zunimmt. Dies hat zur Folge, dass immer weniger Fläche der Friedhöfe in Anspruch genommen wird und der Anteil des öffentlichen Grüns steigt. Das öffentliche Grün wird nicht gebührenfinanziert, sondern belastet den städtischen Haushalt. Es steigen weiterhin die Aufwendungen der Kommune, da die Rasengräber nicht mehr durch die Hinterbliebenen, sondern durch städtische Mitarbeiter zu pflegen sind.

Um die Friedhofsfläche weiterhin auszunutzen und den Anteil des öffentlichen Grüns nicht steigen zu lassen, wurden in den vergangenen Jahren in Würselen kreative Lösungen gefunden. So wurden Rasenwahlgräber mit einer Grabeinfassung eingeführt, ebenso wie Urnenbaumgräber. Dabei wird eine Urne im Wurzelbereich eines Baumes bestattet. Diese Grabart spricht besonders naturverbundene Menschen an, die sich nur wenig von

einer klassischen Grabstätte angesprochen fühlen oder die eine Alternative zur anonymen

Bestattung suchen. Bei den parkähnlich angelegten Friedhöfen der Stadt Würselen mit den unterschiedlichsten Laub- und Nadelgehölzen, bieten die Baumgrabstätten stimmungsvolle Ruhestätten außerhalb „traditioneller“ Grabfelder. Diese Baumgrabstätten können sowohl als Urnenreihengrabstätten, als auch Urnenwahlgrabstätten angeboten werden. Mehrere Grabstätten werden halbkreis- oder kreisförmig um jeweils einen Baum im äeren

Kronenbereich angeordnet. Außerdem wurde seitens der Verwaltung seinerzeit festgestellt, dass der Wunsch in der Bevölkerung nach mehr Gestaltungsfreiheit und Grabschmuck bei Rasengräbern besteht. Um diesem Wunsch nachzukommen wurde die Grabart „Reihengrab auf Rasenfläche mit Grabstele nach besonderen Gestaltungsvorschriften“ eingeführt. Hier erhalten die Hinterbliebenen innerhalb eines kleinen abgegrenzten Bereichs die Möglichkeit, Grabschmuck anzubringen. Auf diese Weise konnten die Bestattungsflächen aufrecht erhalten bleiben und der Zuwachs des öffentlichen Grüns verhindert werden.

Durch die Einrichtung und den Betrieb eines Friedwalds würden nun den kommunalen Friedhöfen Bestattungen entzogen, während die Aufwendungen für die Pflege und Unterhaltung der Infrastruktur der Friedhöfe gleich blieben. In Konsequenz bedeutet dies Gebührenerhöhungen. Sämtliche Nutzer der „klassischen“ kommunalen Friedhöfe müssten durch die Einrichtung eines Friedwalds mit höheren Gebühren für alle Grabarten rechnen. Eine Quersubventionierung durch den städtischen Haushalt, um die Gebühren stabil zu halten, ist rechtlich nicht erlaubt, die Finanzsituation der Stadt Würselen ließe dies ohnehin nicht zu.

Der Friedwald zöge Bestattungen von den innerstädtischen, kommunalen Friedhöfen aus den Zentren der Stadt und der Dörfer hinaus in den Stadtwald, welcher zu Großteilen auf dem Gemeindegebiet der Stadt Aachen, bzw. Stolberg liegt. Nun zeichnet sich die heute berufstätige Generation, wie bereits ausgeführt, durch ein erhöhtes Maß an Mobilität aus und verbleibt oftmals nicht in Heimatnähe und in der Nähe der Gräber von Angehörigen. Dennoch stammt eine Vielzahl der Friedhofsbesucher aus Würselen. Speziell ältere Bürger suchen die Friedhöfe fußufig auf. Die Auslagerung von Bestattungen aus dem Stadtgebiet in den Wald bedingt somit für viele Hinterbliebene längere Anfahrtswege zum Grab. Da der Stadtwald durch öffentliche Verkehrsmittel sehr schlecht zu erreichen ist, bleibt die Fahrt mit einem PKW, was aus ökologischer Sicht bedenklich ist, als auch Eingriffe in die Infrastruktur des Waldes bedingt. Gut ausgebaute Anfahrtsstraßen und ausreichende Parkmöglichkeiten vor Ort sind notwendig. Das erhöhte Verkehrsaufkommen im Wald birgt Konfliktpotential mit erholungssuchenden Spaziergängern, Reitern, Hundebesitzern, Sportlern, Jägern, etc..

Vor Ort muss eine behindertengerechte Zuwegung vorhanden sein. Die Waldgräber müssen auch mit Rollstühlen, Gehhilfen, etc. erreichbar sein, was zum einen möglichst ebenes Gelände voraussetzt, aber auch weitere Eingriffe mit sich bringt, welche naturschutzrechtlich genehmigt werden müssen. Naturschutzgebietsvorgaben müssen angepasst und höchstwahrscheinlich abgebaut werden.

Viele Waldflächen Würselens sind Naturschutzgebiet und geschützter Landschaftsb-estandteil. Dort besteht das Gebot die Waldwege nicht zu verlassen. Hier wäre durch die Untere Naturschutzbehörde eine Änderung in den Schutzgebietsfestsetzungen nötig. Sehr fraglich, ob diese Genehmigung erteilt werden könnte, da diese Gebiete ja zum Schutz störungsempfindlicher Arten ausgewiesen wurden und nicht Publikumsverkehr dienen sollen. Des Weiteren gibt es Einschränkungen zum Betrieb eines Friedwalds in Trinkwasserschutzgebieten verschiedener Schutzzonen, denen große Teile des Würselener Stadtwalds unterliegen.

Hinter dem Friedwald steht die Friedwald GmbH. Es handelt sich hier demnach um einen privaten Träger, dem der Waldeigentümer, in diesem Fall die Stadt Würselen, Waldfläche zur Verfügung stellen müsste, um dort einen Waldfriedhof betreiben zu können. Die Zweckbindung als Bestattungswald wird über eine eingetragene Grunddienstbarkeit gesichert. Diese beträgt in der Regel 99Jahre ab Eröffnung.

Da sich Großteile des Würselener Stadtwaldes nicht auf dem Gemeindegebiet der Stadt Würselen befinden, sondern auf Gemeindegebiet der Städte Stolberg und Aachen, käme hier eine komplexe Gemengelage zustande.

Da die Gemeinde, in deren Hoheitsgebiet der Friedwald eingerichtet wird, als Träger des Friedwaldes fungieren muss und die Zustimmung dieser Gemeinde unerlässlich ist, würde sie automatisch auch Teilhaber am Ertrag des Friedwaldes. Der größte Teil des erwirtschafteten Betrages wird zwar zwischen dem Waldbesitzer, also der Stadt Würselen und der Friedwald GmbH aufgeteilt, dennoch würde ein Teil des Ertrages immer an eine der beiden Nachbarkommunen fließen, auf deren Hoheitsgebiet sich der Friedwald befände.

Sowohl die Stadt Aachen, als auch die Stadt Stolberg besitzen jedoch selbst deutlich größere Stadtwälder, welche im eigenen Gemeindegebiet liegen und wo eine Friedwald-Ausweisung potentiell möglich wäre. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass es im Interesse der Nachbarkommunen läge, dass die Stadt Würselen einen Friedwald auf ihrem Gemeindegebiet errichtet und so einen Großteil der Einnahmen abschöpfen würde und außerdem noch die Anzahl der Bestattungen auf kommunalen Friedhöfen in diesen Kommunen rückläufig wäre, da Bürger aus Stolberg und Aachen eine Bestattung in einem Friedwald der Stadt Würselen wählen würden.

Es gibt im Stadtwald nur einen kleinen Bereich nördlich der A4 (Abt. 422 und 423), welcher sich sowohl im Eigentum der Stadt Würselen, als auch im eigenen Gemeindegebiet befindet.

Dieser Waldbereich liegt jedoch im direkten Einflussgebiet der Autobahn, der Euregiobahnstrecke sowie einer stark befahrenen Landstraße, wodurch er für die Friedwald-Ausweisung ungeeignet ist. Ein Friedwald soll ein Ort der Ruhe sein, unabhängig davon, dass die Fläche zu klein wäre. Auch die Waldbestände sind in diesem Bereich ungeeignet, da der Bereich kaum erschlossen ist und es keine befestigten Forstwege gibt.

Die Friedwald GmbH richtet die Friedwälder bevorzugt im Bereich von älteren Laubmischwaldbeständen ein. Größere, alte Laubholzbestände im Stadtwald sind rar.

Nadelholzbestände sind aufgrund der aktuell leider regelmäßig wiederkehrenden Probleme wie Sturmschäden, Borkenkäfer, etc. für den Betrieb eines Friedwaldes eher weniger geeignet.

Im Stadtwald Würselen wechseln sich jedoch Nadel- und Laubholzbestände kleinflächig stetig ab, sodass optimal geeignete Waldbereiche nicht vorhanden sind. Der Betrieb eines Friedwaldes von einer kleinen, einstelligen Hektar-Größe dürfte wirtschaftlich schwer darstellbar und für die Friedwald GmbH eher uninteressant sein.

Im Vergleich dazu wird der nächstgelegene Friedwald in Merode, in der Region Düren, laut Homepage der Friedwald GmbH auf einer Fläche von 48 Hektar betrieben.

Die Bereiche des Friedwaldes Merode und anderer Friedwälder werden im Rahmen großflächig geplanter Drückjagden bejagt. Als Drückjagd bezeichnet man eine Form der Bewegungsjagd, bei der Wild gedrückt, d.h. von Treibern und zumeist auch von Jagdhunden langsam in Richtung der vorher aufgestellten ger gescheucht wird. An diesen Tagen wird der Friedwald für die eigentliche Nutzung komplett gesperrt. Drückjagden finden im Stadtwald Würselen aufgrund der geringen Größe und nahegelegener Bebauung nicht statt.

Ansonsten kann ein Friedwald, erst recht ein eher kleinflächig angelegter, wie es in Würselen der Fall wäre, nicht mehr regulär bejagt werden, da das Töten von Tieren aus ethischen Gesichtspunkten nicht auf gleicher Fläche durchgeführt werden sollte, auf der die Beisetzung von Verstorbenen stattfindet. Außerdem wäre reger Publikumsverkehr im Wald, so dass einerseits eine Gefährdung von Menschen gegeben wäre, andererseits sich das Wild durch permanente Störungen im Wald zurückziehen würde. Es bestehen weiterhin für alle Bereiche des Stadtwaldes Verpachtungsverträge. Bei den Jagdpächtern würden diese klaren Einschränkungen zu verständlichem Unmut führen, außerdem muss die Untere Jagdbehörde der Einstellung des Jagdbetriebes auf den betroffenen Flächen zustimmen.

Ein Problemfeld stellt die Verkehrssicherungspflicht dar. Im städtischen Wald ist die Verkehrssicherungspflicht derart geregelt, dass der Waldeigentümer an den Bäumen außerhalb der Wege, sofern diese außerhalb des Fallbereichs der Bäume zu den Wegen liegen, keine Maßnahmen zur Gewährleistung der Verkehrssicherungspflicht vornehmen muss, da Gefährdungen dort als waldtypische Gefahren gelten.

Als Bestattungswald werden Waldflächen ausgewiesen, deren Waldbestand meist älter und deren Bäume eine gewisse Größe erreicht haben. Von solchen Bäumen geht eine erhöhte Gefahr aus und zu gerade diesen Bäumen wird im Falle des Betriebs eines Friedwalds ein öffentlicher Verkehr geleitet. Daraus ergibt sich eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht des Waldeigentümers mit wesentlich höheren Anforderungen als sie an die Verkehrssicherungspflicht generell im Waldbestand gestellt werden können. Alle Bäume müssten regelmäßig auf Totäste, Pilzbefall und andere Schäden kontrolliert werden.

Grabschmuck, Blumen, Gestecke und Kränze und vor allem Grablichter sind im Friedwald nicht erlaubt. Die Erfahrung mit Rasengräbern auf den Kommunalfriedhöfen zeigt eindeutig, dass die Hinterbliebenen sich häufig nicht an die Vorgaben halten und in hohem Maße Gegenstände hinterlassen. Aus diesem Grunde beschloss die Politik sogar, entgegen der Verwaltungsmeinung, eine Satzungsänderung, welche eine partielle Duldung des Grabschmucks beinhaltet. Erfahrungswerte hierzu liegen nicht vor, doch es stünde zu befürchten, dass auch im Friedwald nicht kompostierbare Abfälle an den Grabstätten und somit im Wald verbleiben könnten.

Im Fall einer Insolvenz des privaten Betreibers muss die Stadt Würselen bis zum Ablauf der Mindestruhezeit der letzten Bestattung den Bestattungswald auf eigene Kosten weiter unterhalten.

Aus den vorgenannten Gründen erscheint eine Einrichtung eines Friedwalds in Würselen weder sinnvoll, noch umsetzbar.

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

-

Auswirkungen auf das Projekt Stadt der Kinder:


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Beratungsfolge

Donnerstag, 05. Dezember 2019Sitzung des Haupt- und Personalausschusses

Art
Entscheidung
Ausschuß
Haupt- und Personalausschuss

Donnerstag, 14. November 2019Sitzung des Bürgerausschusses

Art
Vorberatung
Ausschuß
Bürgerausschuss
Details
Tagesordnung